Haben Sie es auch gelesen? Ich meine die Bild-Schlagzeile am Wochenende: „Nach der Geburt rief Pietro Dieter Bohlen an“. Ich war überrascht. Positiv überrascht. Da wird oft behauptet, die jungen Leute würden nicht viel auf die Reihe kriegen. Und dann gibt es da so einen Jungen, der vielleicht erst später von seinen Eltern „Pietro“ genannt wurde, und der ruft gleich nach der Geburt bei Dieter Bohlen an. Aber warum bei ihm? Was haben sich seine Eltern dabei gedacht? Was haben die beiden miteinander besprochen? Cheri Cheri Baby?

Genauso überrascht war ich von einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Das Ergebnis: Im Vergleich zum Vorjahr pendelten 2023 bemerkenswerte 140.000 Arbeitnehmer mehr, also von ihrer Heimatgemeinde in eine andere. Auch die Pendeldistanz ist gestiegen, nämlich von 15 Kilometern im Jahr 2000 auf 17 Kilometer heute.

Ich hätte aus meiner tagtäglichen Erfahrung das Gegenteil behauptet. Die Pendel-Diskussion hat die Home-Office-Diskussion zumindest bei meinen Kandidaten abgelöst. Meine meist mittelständischen Kunden bieten längst hybride Arbeitsmodelle an, zumindest wo es möglich ist. Die Diskussion dreht sich bei meiner Suche nach Kandidaten heute viel mehr um die Fahrtzeitdauer zu der Firma. Eine Dreiviertelstunde? Eine Vergeudung von Lebensarbeitszeit! Zumindest für viele Arbeitnehmer. Da müssen schon große Anreize geboten sein, damit jemand diese Entfernung in Kauf nimmt.

Das ist keineswegs ein Phänomen der GenZ. Von ihr mag der Impuls ausgegangen sein, aber diese Werteänderung vollziehen längst auch andere Generationen. So sagt mir z. B. neulich ein angesprochener Mittfünfziger, er wolle seine Zeit nicht auf der Straße verbringen, sondern sich angesichts des bedrohlichen Aufstiegs der Rechtsextremen lieber politisch betätigen. 

Es gibt für die hohe Zahl an Pendlern laut BBSR zwei Vermutungen: Zum einen müssen Menschen pendeln, weil es in einer Stadt attraktive Arbeitsplätze, aber keinen bezahlbaren Wohnraum gibt, so z. B. München oder Frankfurt. Oder es gibt Betriebsvereinbarungen, die ein verstärktes Home-Office möglich machen und somit auch ein Wohnen im Grünen.  Letzterer Punkt erschwert dann aber einen Arbeitgeberwechsel. Ist die neue Firma besser erreichbar oder schlechter? Gibt es eine Vereinbarung zum Home-Office? Das zu beantworten ist in den meisten Gesprächen meine erste Aufgabe. 

Aber nicht nur meine. In den Stellenanzeigen von Stepstone findet sich inzwischen unten ein Pendel-Rechner. Ein pfiffiger Service.