„Heute gönn ich mir mal was – ich bin offline.“ Vorige Tage las ich zufällig von einem Club, den mancher hier schon kennen wird: The Offline Club. In diesem treffen sich Menschen, die für einen Moment ihre digitalen Geräte wegschließen und sich auf ihre Mitmenschen einlassen. Sie sitzen gemeinsam an Tischen, lesen Bücher und Zeitungen, spielen Spiele oder zeichnen und beginnen nach und nach Unterhaltungen.
Dass dafür ein Club notwendig ist, mag geringfügig ältere Menschen wie mich erstaunen. Aber wenn man sich daran erinnert, dass das erste iPhone vor 18 Jahren vorgestellt wurde, dann ist da eine ganze Generation mit dem Smartphone aufgewachsen. Die muss „Offline“ erst lernen. Und nicht nur sie. Wer U-Bahn oder Bus fährt, sieht nicht nur die Jüngeren, sondern fast alle in ihr Handy starren. Während der Fahrt miteinander reden oder ein Buch lesen tut fast niemand mehr.
Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie sich Dinge wiederholen. Da wird etwas gehypt, alle springen auf den Zug auf, dann gibt es eine Gegenbewegung und am Ende pendelt es sich auf ein Normalmaß ein.
Das Homeoffice ist dafür ein wunderbares Beispiel. Mit Beginn der Pandemie sahen sich viele Büroarbeiter schon samt Laptop zukünftig auf Bali. Später nur noch im heimischen Homeoffice. Und heute freuen sich viele über das hybride Modell, dank dessen sie zwei, drei Mal die Woche die Kollegen leibhaftig sehen, mit ihnen arbeiten, reden, diskutieren, lachen.
Und wurde nicht schon das schnelle Ende des klassischen Schulbuchs prophezeit? Und das Tablet als Lösung für alles hochgejubelt? Und gerade die nordeuropäischen Digitalisierungs-Vorreiter proklamieren jetzt die teilweise Rückkehr zum Schulbuch.
Oder die neuen sozialen Plattformen, die versuchen das zu sein, was Facebook & Co mal vor langer Zeit waren, sozial. Hudd in Norwegen ist ein Beispiel. Unter anderem klare ethische Regeln, eindeutige User-Identitäten, keine Kommerzialisierung von Mitgliederdaten. Seitdem sich Zuckerberg & Co an Donald Trump heranschleimen, verzeichnet die Plattform enormen Zulauf.
Studien zeugen davon, dass sehr viele Menschen von ihrem Digital-Konsum gestresst sind, viele Leute z. B. über fünfzig Mal am Tag auf ihr Gerät schauen. Die Folge sind Depressionen, Essstörungen, Drogenmissbrauch und ähnliches. Verständlich, dass es da zu Ausbruchversuchen und Gegenbewegungen kommt.
The Offline Club wurde erst 2024 in Amsterdam gegründet und es gibt weitere zehn Clubs, so auch einen in Berlin. Diese Bewegung ist nicht technologiefeindlich. Sondern sie wendet sich gegen den Überverbrauch. In vielen Ländern gibt es bereits handyfreie Schulen. Solcherlei Restriktionen sind ohne Zweifel sinnvoll. Doch noch nachhaltiger sind digitale Enthaltsamkeiten, wenn sie nicht auf Befehl von oben, sondern aus innerer Überzeugung geschehen, wie in diesem Club. Vielleicht wird Offline so vom Luxus zur Normalität.