Ich wollte am Wochenende heiraten. Eigentlich hatte ich als Ort Venedig ins Auge gefasst. Aber dann erzählte mir mein Freund Jeff, dass er die Stadt schon gebucht habe. Jeff und ich, wir sind quasi Brüder im Geiste, Büchermenschen. Er hat mal mit einer kleinen Versandbuchhandlung begonnen, ich habe einst in einer Buchhandlung gearbeitet, in Lübeck gegenüber dem Stadttheater.

Also nix Venedig. Aber Lübeck ist ja ganz ähnlich, die Altstadt ist ebenfalls von Wasser umgeben. Ich schrieb den Bürgermeister an und fragte, ob er mal Teile der Innenstadt ein paar Tage für das einfache Volk sperren könnte, ich wolle heiraten. Keine Antwort. Auch auf Nachfrage nicht. Ich rief beim Ordnungsamt an. Dort hatte ich mein Anliegen noch nicht komplett vorgetragen, da legte die Mitarbeiterin schon auf.

Eine Frechheit. Ich meine, ich bin dort auf die Schule gegangen, die auch Heinrich Mann, Thomas Mann und Erich Mühsam besucht haben. Da hätte ich schon etwas mehr Respekt erwartet. Nach vielem Telefonieren konnte ich immerhin eine leere Lagerhalle in einem Gewerbegebiet nahe der A 1 ergattern. Na ja, rustikale Atmosphäre ist ja auch ganz schön.

Dann suchte ich Sponsoren. Natürlich zuerst Niederegger. Ich versprach denen das Aufhängen von Werbebannern vor und in der Halle. Und all die Fotografen von „Bild“, „Bunte“ und anderen würden meine zukünftige Frau und mich nur vor dieser Werbung fotografieren dürfen. Der Marzipanhersteller reagierte nicht, ebenso wenig Dräger und Schwartauer Marmelade. Da sieht man mal, welche schlimmen Folgen Personalmangel hat.

Apropos „Bild“ und „Bunte“. Die rührten sich auch nicht auf meine Anfrage, hatten wohl zu viel zu tun. Ebenso „Frau im Spiegel“ und „Das Goldene Blatt“. Nur die „Lübecker Nachrichten“ stellten einen Bericht in Aussicht. Na, geht doch. Doch am Abend vor der Trauung erreichte uns die Absage. Der dafür vorgesehene Werkstudent Marvin war kurzfristig zu einem Mitgefühlstraining an die Mecklenburger Seenplatte gefahren.

Die Lauren, also die zukünftige Frau meines Freundes Jeff, riet meiner Zukünftigen zu 27 verschiedenen Outfits an diesem Wochenende. Das fanden wir jetzt etwas übertrieben, konnten uns nur zu 17 durchringen, aber immerhin von Designern wie dem chinesischen Shootingstar Te Mu, der schottischen Edelstrickerei „Wool and Worth“ und für das Brautkleid natürlich „Pri & Mark“.

Für unsere zahllosen Gäste und ihre Privatflugzeuge hatte ich mit dem Lübecker Flughafen einen Superdeal ausgehandelt. Allerdings meinten sie alle, ihr Geschenk an uns sei, dass sie sich ein Deutschlandticket geleistet hätten und mit dem kämen. Weitere Geschenke seien leider nicht drin. Für einen kurzen Augenblick überlegte ich, den Kanzler anzurufen, ob er nicht wenigstens mit dem Privatflieger… zum Lindner ist er doch auch nach Sylt…

Als meine Auserwählte das gesamte Desaster sah, trennte sie sich noch am Samstagmorgen umgehend von mir. Und nun überlege ich die ganze Zeit, weshalb alles so schieflief. Ob es daran lag, dass ich keine 227 Milliarden Dollar habe, so wie der Jeff? Kann ich mir gar nicht vorstellen.