Am vergangenen Wochenende war die Empörung groß. Kurz vor dem Kauf von Twitter hatte Elon Musk die Entlassung von 75% der Mitarbeiter gekündigt. Diese Ankündigung zog er schnell wieder zurück, um unmittelbar nach dem Kauf erst einmal die Firmenspitze zu feuern. Und letzten Freitag dann doch 50% von 7.500 Mitarbeitern. Um am Montag zu  vermelden, bei einigen habe er sich geirrt, die dürften doch bleiben.

Diese Art und Weise war schon recht speziell. Die Büros wurden kurzfristig abgeschlossen, alle mussten zu Hause bleiben und erhielten per Mail eine Nachricht ob sie zukünftig noch bei Twitter arbeiten oder nicht. Unter der zynischen Überschrift „Deine Rolle bei Twitter“. Verabschieden von Kollegen, Aufräumen des Büros oder Mitnahme persönlicher Daten und Gegenstände wird überbewertet. Zumindest nach Meinung des reichsten Mannes der Welt.

So menschenverachtend dieses Gebaren auch ist, sollten nicht alle auf ihn zeigen, die das jetzt tun. So ein Verhalten gab es immer, gibt es heute und wird es immer geben. Ich erinnere mich, dass sich beim großen New-Economy-Crash 2000 der bekannte Inhaber einer großen Hamburger Agentur nach Ostasien verdrückte und es seiner HR-Chefin überließ, die dreistellige Mitarbeiterzahl nach und nach zu entlassen. Und bei einer Zeitungsgruppe wurden diverse Mitarbeiter in ein Zimmer gerufen, in dem ein HRler saß. Der teilte ihnen die Entlassung mit und überreichte die schriftliche Kündigung zusammen mit einem eventuellen Vorschlag zur Abfindung. Für den Betroffenen gab es keinen Stuhl. Lohnte sich wohl nicht für die wenigen Minuten.

Eine Geringschätzung von Mitarbeitern und Bewerbern gibt es weiterhin, drei aktuelle Beispiele. Ein Bewerber sitzt per Teams mit drei Mitarbeitern eines großen Unternehmens zusammen, man führt ein intensives Gespräch. Plötzlich erhebt sich einer der Mitarbeiter ohne irgendeine Erklärung und schaltet Teams ab. Die beiden anderen Mitarbeiter sagen dazu nichts. Das nennt man schlechtes Benehmen. Kürzlich sprach ich eine Frau auf einer Vakanz an. Sie antwortete, dass sie sich bei dem Unternehmen bereits beworben hätte, allerdings auf eine etwas andere Stelle. „Wann war das?“, frage ich. Sie antwortet: “Vor fünf Wochen. Seitdem habe ich von denen nichts gehört.“

Letztes Beispiel. Eine Mitarbeiterin eines großen Dienstleisters hat gekündigt. Zur Verabschiedung ist niemand da, es sind ja alle im Home-Office. Sie kann ihr Zimmer ungestört aufräumen. Nun gut, neuer Dienstleister, neue Stelle, neues Glück. Sie kommt in ihr neues Büro. Es ist niemand da, alle sind im Home-Office. Jemand von HR schaut kurz vorbei. Ja, um den Anschluss an die Haus-IT würde sich jemand zeitnah kümmern. Die Mitarbeiterin ist verzweifelt, irritiert, verärgert. Doch Gott sei Dank erfolgt am Nachmittag der Ritterschlag. Sie wird in die WhatsApp-Gruppe der Abteilung aufgenommen.

Ja, Elon Musks Vorgehen ist durch nichts zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Aber so lange all die kleinen Musks unter uns sind, sollten wir uns nicht zu sehr von ihm ablenken lassen. Sondern für ein wertschätzendes Miteinander in unserem Umfeld sorgen.