Als ich ein kleiner Junge war, gab es nichts Schöneres als die alljährliche Schiffsfahrt mit meiner Familie nach Bornholm. Folglich wolle ich später einmal Kapitän auf einem Fährschiff werden. Meine Oma riet mir, später Pastor zu werden, weil immer mein Hemd aus der Hose hing. Unter dem Talar würde das nicht auffallen. Mein Opa kaufte mir meine Märklin-Startpackung und meinte, ich solle später zur Bahn gehen, denn die würde es immer geben, da hätte ich einen sicheren Arbeitsplatz.
Ach, was war die Welt damals noch übersichtlich. Und heute? Opas Rat mit der Bahn ist kein so sicherer Tipp mehr, denn führerlose Schienenfahrzeuge sind längst Realität. Weswegen ich mich wundere, dass die Bahn sich wundert, dass sie keine Fahrer mehr findet. Wer will denn einen solchen Job ergreifen, wenn man weiß, dass der Arbeitgeber mit aller Kraft daran arbeitet, einen überflüssig zu machen? Auch auf dem Fährschiff wird eines Tages kein Kapitän mehr sitzen. Beim Pastor hingegen ist eher das Problem, dass er bald allein in der Kirche steht, wenn der Mitgliederschwund so weitergeht.
Also nochmal: Was rät man heute? Bei der Berufswahl gibt es zwei Typen, zumindest nach meiner Erfahrung. Den Kopf- und den Bauchtypen. Der Kopftyp überlegt, welcher Beruf zukunftssicher ist und wo er zugleich am meisten Geld verdienen kann. Einer meiner Klassenkameraden sagte nach dem Abi: „Ich habe einen Durchschnitt von 1,2 – ich muss ja Medizin studieren.“ Er wurde nie der Arzt meines Vertrauens. Der Bauchtyp macht das, worauf er Bock hat, was ihm Spaß bringt. Er ist sich sicher, dass er damit auch Geld verdienen wird.
Der große Unterschied zu früher sind die immer kürzeren technischen Entwicklungszyklen, die Berufsentscheidungen mitbeeinflussen. Von Google und Smartphone, Cloud und IoT ahnte ich als Abiturient noch nichts. Nun sind nicht nur all diese Dinge hinzugekommen, sondern KI steht bereits in der Tür. Zurecht stellen sich Berufsanfänger die Frage, welche Jobs dadurch in die ewigen Jagdgründe geschickt werden.
Darüber wird derzeit noch trefflich gestritten. Sind Lehrer und Buchhalter perspektivisch überflüssig? Wird ein Teil der Medienschaffenden und Juristen doch in Lohn und Brot bleiben, weil am Ende noch immer ein menschliches Urteil vonnöten ist? Werden die Jobs im Kundenservice und in der Finanzbranche ausgelöscht? Was wird aus Bäckern, Fleischern und Lagerarbeitern? Drei Experten, vier Meinungen.
Aber wer weiß denn wirklich was in fünf, in zehn oder gar in 15 Jahren ist? Welche Veränderungen hat die technologische Entwicklung bis dahin bewirkt? Eher wird man die Lottozahlen vom nächsten Samstag vorhersagen können. Deswegen ist mein Rat, wenn ich gefragt werde: Überlegt zuerst worauf ihr Bock habt und prüft das mit der Haltbarkeit in der digitalen Welt. Sehenden Auges muss niemand ins Verderben rennen. Aber ihr werdet euren Job nur gut machen, wenn ihr auch Spaß an ihm habt. Mixt bei eurer Entscheidung 70% Bauch mit 30% Kopf. Bleibt immer wach und schlau, dann werdet ihr euch an jede Veränderung anpassen können und euren Weg machen.