„Video Killed the Radio Star“ hieß der Titel, mit dem MTV 1981 seinen Start einläutete. Es war eine Kampfansage an das Radio, von nun an sollten alle Musikliebhaber sich nur noch an Videos erfreuen. Die Band The Buggles ist heute ebenso vergessen wie MTV. Ein Song vielleicht mit dem Titel „AI Killed the Creativity“ könnte hingegen ein dauerhafter Erfolg werden.
Die japanische Schriftstellerin Rie Kudan z. B. erhielt kürzlich den renommierten Akutagawa-Preis und erzählte bei der Gelegenheit, dass ca. 5 % des Buches von KI verfasst wurden. Hat sie den Preis dann noch verdient? Zunehmend bedienen sich Autoren dieser Zuarbeit, das erinnert mich an die Fotografen, deren Stärke weniger das Fotografieren, sondern die Beherrschung von Bildbearbeitungsprogrammen ist. Was soll´s, wird jetzt mancher denken, schon Rembrandt hat nicht alle seine Bilder selbst gemalt, sondern hatte dafür seine Schüler. Die heißen heute eben KI.
So einfach ist es aber nicht, mich interessiert, welche Anforderungen ich an mein Hirn, meine Kreativität stelle. Also: Möchte ich als Autor überhaupt mit KI arbeiten? Besitze ich den Ehrgeiz, mir alles selbst auszudenken und will damit verhindern, dass meine Kreativität weniger wird? Oder belastet das meine Kreativität gar nicht, sondern würde KI meine Texte sogar noch besser, vielschichtiger, komplexer, einfach besser machen (wehe, Sie nicken jetzt)?
71 % der Musikschaffenden in Deutschland und Frankreich fürchten um ihre wirtschaftlichen Grundlagen durch KI. Gleichzeitig arbeitet die Hälfte bereits mit KI. 44% erwarten, dass KI zukünftig komplette Songs komponiert, so eine Umfrage der Beratungen Goldmedia und Sacem. Das erinnert mich an mir bekannte Einzelhändler, die sich über ausbleibende Kundschaft beklagen und selbst große Amazon-Kunden sind. Sie nehmen als Begründung ihren Zeitmangel für sich in Anspruch.
Ich lese immer wieder von kreativen Menschen, die KI für eine sinnvolle Arbeitshilfe halten, eine Art Ko-Autor. Da gehen sie von einer Beherrschbarkeit aus, zumindest in ihren vier Wänden. Andere sind da nicht ganz so hoffnungsfroh: „Was durch Digitalisierung und KI an personellen Ressourcen ersetzt werden kann, wird ersetzt werden. Übrigbleiben werden wenige hochbezahlte und unersetzbare High-Performer, die dann arbeiten bis zum Umfallen.“ So sieht es jedenfalls Burkhard Schmidt, Professor für Wirtschaft und Medien in Heidelberg.
Die Firma „Reporterfabrik“ bietet eine Wolf-Schneider-KI an. Schneider war, sehr verkürzt formuliert, eine Art Sprach-Papst. Die KI erkennt z. B. Füllwörter, schlechten Satzbau oder eigenartige Formulierungen und korrigiert diese. Will ich das? Oder lieber meinen eigenen Schreibstil bewahren? Würden die Texte meines Lieblings-Journalisten Holger Gertz nicht an Großartigkeit verlieren? Hätte so jemals Harry Potter das Licht der Welt erblickt?
„Was ist der sogenannte USP des Menschen im Gegensatz zu KI?“ Diese Frage des Hamburger Beraters Joachim Pawlik will mir schon seit Wochen nicht aus dem Kopf.