„Die Stelle passt leider nicht für Max Mustermann. Aber keine Sorge, das ideale Match ist sicher bald dabei! Wichtig beim Erstkontakt: Authentisch sein & individuell auf die Person eingehen.“ 

Diesen Text schickte mir neulich eine Kollegin. Ich war verwirrt: Was wollte sie mir damit sagen? Ich antwortete mit mehreren Fragezeichen, sie schrieb, dass man im Talentmanager von Xing jetzt diese Nachricht erhält, wenn eine angeschriebene Person nicht interessiert ist. Das ist ja Lothar-Matthäus-Deutsch, dachte ich, der spricht von sich auch immer in der dritten Person, ganz peinlich. 

Doch damit nicht genug. Beim Erstkontakt soll der Anschreibende „authentisch“ sein. Welche Kriterien hat Xing dafür aufgestellt? Woher weiß Xing, dass ich diese nicht erfüllt habe? Und noch absurder: „Individuell auf die Person eingehen“. Xing, woher weißt du, dass ich das nicht getan habe? Vielleicht habe ich mir richtig Mühe gegeben, habe den aktuellen Wohnort erwähnt, die Entfernung zu der angebotenen Vakanz, bin auf den Werdegang des Kandidaten eingegangen und habe herausgehoben, dass mich besonders die Erfahrungen in den Bereichen X, Y und Z beeindruckt haben. Habe aufgezeigt, welchen Fortschritt ein Wechsel zu meinen Auftraggeber bedeuten würde. Aber der Angesprochene will momentan nicht wechseln, hat keine Lust auf das Verfassen einer Antwort, sondern drückt auf die Xing-Mustervorlage. Und ich erhalte diesen oberlehrerhaft formulierten Text.

Nicht besser ist es bei Interesse eines Angeschriebenen: „Gute Neuigkeiten, Maria Musterfrau ist interessiert! Jetzt ist es wichtig, in einem ersten Gespräch Details und Fragen zu klären – gute Vorbereitung ist dabei das A und O.“ Nein, Xing, wirklich? Im ersten Gespräch klärt man Fragen? Ich dachte, man plaudert ein wenig über Urlaubsinteressen, Kinder und Hunde, die besten Netflix-Serien oder neue Auflauf-Rezepte. Aber ich soll tatsächlich schon im ersten Gespräch über Firma, Aufgabe, Abteilungsgröße, Home-Office oder Gehaltsrahmen sprechen? Danke für diesen Hinweis, Xing. Auch für den Tipp, dass ich mich gut vorbereiten soll. Ja, vielleicht sollte ich nochmal nachlesen, was mein Kunde eigentlich macht. Wo der Firmensitz liegt. Und ob er ein Gehalt zahlt. Puh, ohne den Xing-Tipp hätte ich ganz schön alt ausgesehen. Ich weiß gar nicht, wie ich das die letzten Jahre gemacht habe.

Ja, manche Tipps lassen einen über den Verfasser selbiger oder seine Zielgruppe ins Grübeln kommen. In der Selbstbedienungs-Bäckerei „Backfactory“ entdeckte ich neben dem kleinen Ofen, in dem man z. B. sein Pizzastück erwärmen kann, den Hinweis, man möge dort bitte kein Plastiktablett und auch keine Brötchenzange mit hineinschieben. Echt jetzt? Auf einer Party während der Techkonferenz SXSW in Austin war in Großbuchstaben zu lesen, wer die Party betrete, werde möglicherweise Süßigkeiten essen. Das daraus entstehende Risiko müsse jeder selbst tragen. Wirklich? Der Agenturgründer Dominique von Matt gab kürzlich den Teilnehmern einer Tagung den Tipp, möglichst selten aufs Handy schauen. „Dafür können Sie als Trost in den Pausen kiffen.“ Das lasse den IQ weniger sinken als das ständige Daddeln. 

Was haben die Texter bei Xing in ihren Pausen geraucht?