In einer Kopenhagener Hochhaussiedlung begab sich ein älterer Mann in den Wäschekeller, um eine Maschine zu starten. Doch das misslang, weil die Hausverwaltung auf digitale Bezahlung umgestellt hatte. Da der alte Herr aber kein Smartphone besaß, musste er seinen Nachbarn bitten, die Maschine über sein Handy zu starten. Den Betrag gab er ihm in bar.
Diese Geschichte ist wenige Wochen alt und sie illustriert die Schattenseite des digitalen Wandels. Hier wie auch bei anderen Veränderungen wie E-Auto oder KI stellt sich die Frage, wer aus dem Alltag oder aus dem Arbeitsmarkt hinausfliegt und wer auf dem Karussell bleibt? Wenn eine Firma bekannt gibt, dass sie zwar 1000 Leute entlässt, aber auch 600 einstellt, nur eben andere, dann bedeutet das in aller Regel, dass Menschen für einfachere, automatisierbare Tätigkeiten rausfliegen und Ingenieure, ITler oder andere gut qualifizierte Menschen eingestellt werden. Sofern man sie findet.
„Wer jetzt im Alter nicht mehr in der Lage ist, ins digitale Leben zu finden, trägt die Folgen seiner jahrzehntelangen Trägheit und Zukunftsvergessenheit“. So äußerte sich der Leserbriefschreiber Christian Keller aus Essen kürzlich in der „Süddeutschen“. Vorausgegangen war ein Artikel von Heribert Prantl, der das Recht auf ein analoges Leben eingefordert hatte, doch feststellen musste: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, aber die mit den Digitalgeräten sind gleicher.“ Er führte einige Beispiele für Ausgrenzung der Menschen ohne Digitalgeräte an, immerhin zählt dazu über die Hälfte der 65-jährigen und zwei Drittel der über 80-jährigen. Deshalb forderte er eine „Wahlfreiheit zwischen digital und analog“, wenn es um die Grund- und Daseinsvorsorge geht. Dem schlossen sich viele Leserbriefschreiber an, aber nicht alle, siehe oben.
In Deutschland gibt es den Verein Digitalcourage in Bielefeld, der zwar sehr digitalaffin ist, aber zugleich den Digitalzwang bekämpft. Darunter versteht der Verein Leistungen, die nur mittels Smartphone abrufbar sind, so die DHL Packstationen oder die komplette Nutzung des Thermomix. In Spanien gibt es einen 78-jährigen Aktivisten, der dort die Aktion: „Ich bin zwar alt, aber kein Idiot“ begründet hat und mit ihr sehr erfolgreich ist.
In Dänemark, wo die Digitalisierung im Alltag deutlich weiter fortgeschritten ist als bei uns, hat der weltbekannte Designer und Künstler Per Arnoldi eine ähnliche Aktion gestartet, er sprich von IT-Tyrannei und hat der Bewegung ein Logo gegeben „ITNVALID“. Mit ihm wehren sich viele gegen die Einteilung in A- und B-Bürger.
Und damit zurück zum Arbeitsmarkt. Wenn die Schrauber und Dreher durch Ingenieure ersetzt werden, was macht man dann mit denen, wie verdienen die zukünftig ihr Geld? Und wenn KI immer stärker in das Arbeitsleben einzieht, dann wird es die geben, die damit zielführend umgehen können. Und die, die dazu nicht in der Lage sind. Was passiert mit denen, wo landen die?
Wohin es führt, wenn Menschen sich abgehängt oder ausgegrenzt fühlen, zeigen die Erfolge von Populisten. Die Verantwortung, alle auf dem Weg in die Digitalisierung mitzunehmen, trägt nicht nur die Politik, sondern auch Unternehmen und Privatpersonen.