„Typisch alter weißer Mann.“ Das Todesurteil. Wer etwas äußert, was einem anderen nicht passt, erkennbar weiß ist und vermutlich nicht mehr ganz jung, wird auf diese Weise schnell und endgültig abgeurteilt. Der Vorteil: Man muss sich mit dem Gesagten nicht mehr inhaltlich auseinandersetzen.
Ja, es lebe das Denken in Klischees: Alle alten weißen Männer oder alle in der Gen Z sind typisch so und so. Differenzierung unerwünscht. Jüngstes Beispiel ein Artikel auf arbeits-abc.de. Tenor: Die Generation Y verzichtet auf Führungspositionen, weil die momentanen Stelleninhaber, nämlich die Baby Boomer und die Gen X, ein anderes Führungsverständnis besitzen. Und der Gen Y, die sich auch als Generation des Coachens definiere, keinen Spielraum für eigene Vorstellungen lässt. Da verzichtet diese lieber ganz, statt ihre Werte zu verraten.
Und dann wird ganz tief in den Klischee-Topf gegriffen: „Denn strenge Regeln der älteren Generationen besagen, auch wenn sie unausgesprochen bleiben, dass es dort oben keinen Platz für Zweifel, Fehler oder dem Zeigen von Schwäche gibt.“ Ach nö, Leute, wirklich nicht. Die Generation X umfasst die 43 bis 57jährigen. Und die Führungskräfte aus dieser Generation agieren autoritär, dulden keinen Widerspruch? Ich kenne eine ganze Menge von diesen. Und auch von den Baby Boomern, also den über 57jährigen. Ja, natürlich gibt es dort noch den ein oder anderen, der soldatischen Gehorsam verlangt. Aber die allermeisten leben einen kooperativen Führungsstil. Anders funktioniert Führung schon lange nicht mehr. Dieser Weg ist keine Erfindung der Gen Y.
Was sich tatsächlich verändert, ist die Sinnfrage. Leben wir nur um zu arbeiten oder arbeiten wir so, dass genug Platz für das Privatleben bleibt? Diskussionen wie um die 30-Stunden-Woche oder hybride Arbeitsplatz-Modelle zeugen davon. So oft wie nie zuvor spreche ich mit Kandidaten über den Arbeitsweg, weil täglich eine Stunde in der Bahn oder dem Auto als verschwendete Lebenszeit gewertet wird. Diese Diskussionen sind wichtig, weil gesellschaftliche Veränderung nie aufhört. Aber diese Werteveränderung über das Basta-Argument „Alter“ zu diskutieren, funktioniert nicht.
Denn sind die Führungskräfte in den Start-ups alle besser, weil jünger? Gestaltet sich das Arbeiten dort viel kooperativer und hierarchiefreier? Sind die Geschäftsmodelle für die Mitarbeitenden sozialer? Nein, hire & fire ist bekanntlich auch dort an der Tagesordnung, Betriebsratsgründungen werden mitunter weggegrätscht und das Risiko wird teilweise auf Pseudo-Selbständige verlagert. Andererseits gibt es viele tolle Start-ups mit kooperativer Arbeitskultur. Es gibt sone und solche, wie immer.
Insofern sollte auch die rassistische Behauptung von „Alt und weiß = uneinsichtig und von Vorgestern“ im Klischeemüll entsorgt werden.