Sie kennen das: Sie gehen zu der Buchhändlerin Ihres Vertrauens, um ein bestimmtes Buch zu kaufen. Die hat es nicht da, was bei ca. 2,5 Millionen lieferbaren Büchern auch nicht verwundern kann. Aber sie verspricht Ihnen, dass Sie es am nächsten Morgen bei Ladenöffnung abholen können. So geschieht es.

Es gibt drei Unternehmen, die dafür sorgen, dass ein Buch über Nacht vom Zentrallager in die Buchhandlung kommt, man nennt sie Barsortimente. Eines davon heißt „Zeitfracht Medien“. Ein Logistiker, dessen übergeordnete Holding in unterschiedlichsten Branchen engagiert ist. Er übernahm 2019 das renommierte und größte Barsortiment KNO/KNV. Dort hatte man gemeint, eine Standortverlagerung von Stuttgart nach Erfurt sowie eine IT-Auffrischung problemlos bewältigen zu können. Das ging in die Hose und KNO/KNV in die Insolvenz.

Die Buchverlagsbranche ist eine Besonderheit. In der Dachorganisation, dem Börsenverein, sind alle drei Sparten einträchtig versammelt, Verlage, Buchhändler und Zwischenhändler. Jeder der Drei ist an optimalem Profit orientiert, besitzt große Eigeninteressen, natürlich. Aber dennoch sitzt man recht harmonisch unter einem Dach, verglichen mit anderen Branchen.

Zeitfracht kommt nicht aus der Branche, sondern von außen, ist mit weniger Sentimentalitäten belastet. Und hat nun verkündet, dass man ab 1. Februar, Buchhandlungen unterhalb eines bestimmten Jahresumsatzes nicht mehr werktäglich beliefert, sondern nur noch zweimal die Woche. Das Entsetzen in der Branche war groß. Die Presse differenzierte zum Teil wenig und verkündete gleich, dass alle Buchhandlungen jetzt nicht mehr täglich beliefert würden. Die Marketingabteilung von Amazon wird sich auf die Schenkel geklopft haben.

Ja, nun passiert das, was z. B. bei den Tageszeitungen längst stattgefunden hat: Randgebiete werden nicht mehr beliefert, weil sich der logistische Aufwand nicht rechnet. Die Alternative ist dort ein E-Paper-Abo. Digital oder nix. Zeitfracht hat für die tägliche Belieferung des Buchhandels eine Grenze bei 30.000 € Mindestumsatz im Jahr gezogen, darunter liegen 10% der Kunden. Aber natürlich ist das nur ein Anfang. Gegensätzliche Interessen brechen auf, der Abschied von den Wattebällchen ist eingeläutet.

Noch ist ein fehlendes Buch in fast jeder Buchhandlung am nächsten Tag abholbar. Aber irgendwann wird vermutlich der Rechenschieber des Zwischenbuchhändlers auch die Buchhändlerin unseres Vertrauens treffen. Wir Konsumenten sollten die Zeit nutzen, unser Verhalten zu ändern. Denn wie viele von uns gehen tatsächlich gleich am nächsten Tag zur Abholung? Und ist es wirklich schwer, ein Buch zwei, drei Tage vorher zu bestellen? Wenn uns diese Veränderung gelingt, dann bewahren wir den Buchhandel in unseren Städten. Das sollte es uns wert sein.