Highsmith und Morisson, Rowohlt und Keel, Heidenreich und Reich-Ranicki, all die großen Schriftsteller, Verleger oder Rezensenten waren gestern, heute entscheidet Fabula-NET, was ein Bestseller wird und was nicht.  

Fabula-NET ist eine an der Universität im dänischen Aarhus entwickelte Software, sie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Linguisten, Literaturforschern und Informatikern. Diese haben 9.000 Bücher eingelesen und analysiert, dazu gehörten Mainstream-Belletristik ebenso wie Genreliteratur (z. B. Fantasy) oder mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Werke. 

Wie die Tageszeitung „Politiken“ kürzlich berichtete, haben die Forscher die Bücher auf drei Ebenen analysiert. Der intrinsischen, also Struktur, Lesbarkeit und Stilistik. Der extrinsischen, also die Höhe der Ausleihe in Bibliotheken, die Verkaufszahlen und die Leser-Bewertungen auf der Seite Goodreads. Und der präferentiellen, die die Zielgruppe eines Werkes betrachtet.  

So kann man für jedes Manuskript voraussagen, welche literarische Qualität es besitzt und ob es ein Bestseller wird oder nicht. Wobei es ausdrücklich nicht allein um komplexe Hochliteratur geht, sondern um alle Gattungen. Ein Buch kann auch aufgrund seiner Gesamtkomposition, der dargestellten Gefühle oder gewählten Themen erfolgreich sein. Dabei entgehen der Software selbst Kleinigkeiten nicht. So hat sie erkennen können, weshalb sich ein Teil der Werke John Steinbecks sehr gut verkauft hat und ein anderer nicht. Will man das alles?

Aber bekommen wir so nicht einen literarischen Einheitsbrei? Übersehen wir bislang unbekannte, aber sensationelle und innovative Autoren? Wie bei allen KI-Entwicklungen verweisen auch diese Forscher darauf, dass ihre Software natürlich nicht perfekt sei, sondern ein Werkzeug, das man halt gekonnt einsetzen müsse. Einem Autor würde Fabula-NET möglicherweise helfen, mit kleinen vorgeschlagenen Änderungen ein Buch zum Erfolg zu machen. Ein Verleger wüsste frühzeitig, ob sich ein Titel lohnen könnte oder er ihn besser ungedruckt lässt. Und Rezensenten stoßen in einem Werk vielleicht auf Aspekte, die sie ohne diese Software nicht entdecken würden. 

Der Literaturredakteur von „Politiken“ macht aus seiner Abscheu keinen Hehl: „Das wird Kaugummiliteratur. Eine graue Masse, geschaffen von Maschinen, die sich durch die Vergangenheit gekaut haben. Ein Alptraum.“