Letzten Dienstag kam der Dreifach-Wumms: Da wurde bei Gruner + Jahr die Streichung von 700 Stellen, die Einstellung von 23 Titeln und der Verkauf von weiteren 13 Titeln verkündet. Ob Bertelsmann-CEO Thomas Rabe der böse Bube ist oder schon die Verantwortlichen vor ihm eine Digitalstrategie vermissen ließen, wird heftig diskutiert.
Eine zweite Meldung in der letzten Woche ging da völlig unter. Die im Münsterland bedeutende Verlagsgruppe Aschendorff stellt sämtliche Anzeigenblätter in Münster und Umgebung ein, eine Gesamtauflage von 362.000 Exemplaren. Mancher wird sich nun fragen was die Fischeinwickelblätter mit „Stern“ und „Brigitte“ verbindet. Ganz einfach: Die schwindende Relevanz im Strudel des Medienwandels.
In der ersten Phase der Digitalisierung verschenkten Verlage Inhalte über ihre Website, ihre Umsätze brachen brutal ein. Das Anzeigengeschäft verlagerte sich Richtung Stepstone, Autoscout u.ä. Um die Zahlen wieder anzuheben, wich man auf andere Geschäftsfelder aus, Bucheditionen z. B. oder Kunsthandel. Inzwischen verlangt man für den Inhalt Geld und kann das vielerorts am Markt durchsetzen. Parallel hat sich das Leseverhalten gewandelt, digital schreitet voran, aber auch lange gedruckte Lesestücke finden ihre Leser, wie „Die Zeit“ beweist. Die taz hat deshalb ihre Samstagsausgabe zur Wochenzeitung erklärt und lässt sie entsprechend lange an den Kiosken, andere überlegen, während der Woche ausschließlich digitale Tageszeitungen anzubieten, gedruckt nur noch die dicke Wochenendausgabe. Die „Frankfurter Allgemeine am Sonntag“ erscheint bereits Samstag, weil die Sonntagszustellung zu teuer ist, Rewe will seinen Werbeprospekt ab Mitte 2023 nicht mehr gedruckt, sondern ausschließlich digital anbieten. Fast nichts bleibt, wie es war.
Wer sich in diesem Wandel behaupten will, wer auch digital gelesen werden will, braucht als Marke Relevanz. Und die hat z. B. „Der Stern“ verloren. Wenn Willi Winkler letzten Samstag in der „Süddeutschen“ dessen gesellschaftlichen Verdienste aufzählt, dann sind dies Ereignisse aus den 60er, 70ern und frühen 80ern. „Rewe“ muss für mich als Einkaufsmöglichkeit schon relevant sein, damit ich den Prospekt digital aufrufe, ansonsten schaue ich eben nur in die von Edeka und Lidl. Und die Fischeinwickelzeitung muss als Mantel für Prospekte relevant sein, sonst ist sie nicht mehr finanzierbar.
Ihre Relevanz in der digitalen Welt müssen Verleger von Schulbüchern ebenso wie die von Kochbüchern oder die von Reisezeitschriften beweisen. Und hier komme ich an meinen Punkt als Personalberater, der auch im Medienbereich Vakanzen besetzt. Mir fehlt dort oft Mut. Ja, man sucht Digital Natives für das E-Mail-Marketing und für Social Media-Kampagnen, aber diese Mitarbeiter sollen möglichst wenig kosten, man wolle doch nur einmal probieren, ob das erfolgreich ist. Die Zeit des Probierens ist allerdings längst vorbei, denn der digitale Zug fährt längst Höchstgeschwindigkeit. Wer heute nicht mutig in den digitalen Wandel mit vernünftig bezahlten Fachkräften investiert, sucht den Abgrund.
Zumal „ChatGPT“ und „Bard“ bereits vor der Tür stehen. KI-Chatbots, die unser Leben noch intensiver verändern werden. Und denen sich Medienunternehmen ebenso stellen müssen wie alle anderen Unternehmen. Exzellente Mitarbeiter sind da unabdingbar. Also nur Mut!