Ich war dabei. Bei einem tatsächlich historischen Ereignis. Es geschah am 31. Dezember 2023. Um 18.17 Uhr verkündete die dänische Königin Margrethe II. in ihrer traditionellen Silvesteransprache, dass sie zum 50. Jahrestag ihrer Thronbesteigung abdanken würde. Also nur zwei Wochen später. Aus gesundheitlichen Gründen. Ein in der dänischen Geschichte einmaliger Vorgang. Das Tuborg fiel mir aus der Hand, ich saß wie versteinert auf dem Sofa und war mir sicher, dass ich mich verhört hatte, wie Millionen andere auch.

Aber Pustekuchen. Ihre Königliche Hoheit hatte es genauso gemeint. Und so ergab es sich letzten Sonntag, dass sie abdankte und ihr Sohn als Frederik X. inthronisiert wurde. 

Nun ist es in Dänemark üblich, dass eine Königin oder ein König ihrer Regentschaft ein persönliches Motto geben. Und dessen Veränderung im Laufe der Jahrhunderte ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie sich das Verhältnis einer königlichen Führungskraft zu ihren Mitarbeitern (dem Volk) verändert. 

„Die Tugend weist den Weg“ heißt noch das erste überlieferte Motto überhaupt, es kommt von Christian I. 1448. Doch mit Frederik I. beginnt 1521 in den Sprüchen Gott zu dominieren. Frederik II. bekennt „Meine Hoffnung ist Gott allein“, „Gott ist mein Helfer“ wünscht sich Frederik IV. 1699. Christian VI. wird 1730 immerhin etwas irdischer mit „Gott und das Volk“. Noch 1912 heißt es bei Christian X. „Mein Gott, mein Land, meine Ehre“. Gott ist des Königs Leuchtturm.

Keine Vergötterung, aber immerhin allerhöchstes Ansehen erfuhren ebenfalls viele Patriarchen in der Wirtschaft, von Henry Ford bis Wolfgang „Trigema“ Grupp. Von denen haben sich viele Menschen vieles gefallen lassen, aber sie gaben ihr Schicksal gerne in deren Hände, denn die Patriarchen versprachen ihnen dafür materielle Sicherheit und gewährten sie ihnen auch. Ja, nicht immer (Schlecker & Co.).

Frederik X., Jahrgang 1968, ist nun der erste Regent seit 160 Jahren, der mit „Verbunden, verpflichtet, für das Königreich Dänemark“ ein Motto frei vom Wort „Gott“ gewählt hat. Er sieht sich dem Volk verbunden, ihm verpflichtet, so meine Interpretation. Bibelfestere Menschen als ich verweisen darauf, dass sich „Verbundenheit“ und „Verpflichtung“ als zentrale Begriffe in den Briefen des Paulus wiederfinden. Das Motto also doch religiös sei, aber sehr viel heutiger formuliert und bodenständiger, was für seine Cleverness sprechen würde. Egal, dass Frederik X. sich als Mann des Volkes sieht, sich gerne unter dieses mischt, hat er bereits als Kronprinz bewiesen. Unter anderem als Veranstalter und Teilnehmer von Joggingläufen („Royal Run“). Ein nahbarer König. So wie heute aufgeklärte Führungskräfte viel normaler mit ihren Mitarbeitern umgehen (hoffentlich) und selbst große Konzernchefs sich ungezwungen mittags in die Kantine setzen. Vielleicht erscheint manchem der Vergleich zu gewagt, ich mag ihn.

Etwas archaisch mutet allerdings das Vorgehen von Margrethe II. an. Denn sie soll ihrem Sohn erst drei(!) Tage vor ihrer Silvesteransprache mitgeteilt haben, dass sie in selbiger ihre Abdankung verkünden und er zwei Wochen danach König wird. Heutiges Projektmanagement geht anders.