In Boostedt bei Neumünster gibt es die Bäckerei Tackmann. 27 Filialen besitzt das Unternehmen in der Region nördlich von Hamburg. Elf von ihnen hatten auch immer sonntags auf, zukünftig sind es nur noch vier. Der Grund ist aber nicht fehlendes Verkaufspersonal. Sondern Grund sind die fehlenden Bäcker, es gibt schlicht keine. Sieben Bäcker brauchte man bislang am Sonntag, nun werden es zwei sein.
Bereits im Juli bekannte die Hamburg Bäckereibesitzerin Wiebke Becker, dass sie einen Headhunter mit der Suche nach Bäckern beauftragt hatte. Ihr Sortiment verkleinert sie derweil notgedrungen. In Schwerin hat die zentral am Schelfmarkt gelegene Bäckerei Zander seit Monaten samstags geschlossen. Samstags!
Im niedersächsischen Schöningen öffnet Bäcker Lukas Kröhl erst mittags um 13 Uhr. Die erste Schicht beginnt um 5 statt um 2 Uhr. Er verzichtet auf das Geschäft mit den morgendlichen Brötchen für Schüler und Arbeitnehmer, dafür beliefert er verstärkt Bauernmärkte und Restaurants. Nur am Sonntag macht der Mann ein Zugeständnis und öffnet bereits um 10 Uhr. Sein Konzept ist erfolgreich, wie er dem NDR berichtete, er hat kein Problem Personal zu finden, von Februar bis heute ist sein Team von vier auf zwölf Personen angewachsen.
Das Gourmet-Magazin „Falstaff“ kürte jüngst die „Brotkumpels“ zu Hamburgs beliebtester Bäckerei. Dort wird grundsätzlich nur vorbestelltes Brot gebacken, das man sich zwischen 17 und 19 Uhr abholen kann, sonntags zwischen 8 und 10 Uhr. So werden Ressourcen geschont und Abfälle ausgeschlossen.
Fünf Geschichten aus der Brötchen-Welt mit zwei Erkenntnissen. Die eine ist nicht sonderlich neu: Der Fachkräftemangel hat längst Berufszweige erreicht, von denen man früher glaubte, dass man bei der Arbeitsagentur stets genügend „Nachschub“ erhalten würde. Aber Lastwagenfahrer und Baustellenabsicherer, Servicetechniker und Kellner sind längst zum Luxusgut geworden. Das liegt zum einen an der geringen Bezahlung und zum anderen an den problematischen Arbeitszeiten. Wer während der Pandemie z. B. seinen Job als Küchenhilfe quittieren musste und dann lernte, dass der Job beim Discounter zwar auch kein Zuckerschlecken ist, aber dafür ordentlich bezahlt und mit akzeptablen Arbeitszeiten, der kehrt nicht mehr zurück. Ein dritter Faktor ist sicherlich, dass sich zu wenige Schulabgänger für eine Ausbildung im Handwerk interessieren.
Die zweite Erkenntnis ist, dass manch Unternehmer sein Geschäftsmodell erfolgreich den veränderten Rahmenbedingungen anpasst. Die Brotkumpels und Bäcker Kröhl liefern dafür den Beweis. An diese neue Situation müssen auch wir Konsumenten uns anpassen. Das lange Warten auf Handwerker werden wir noch lange als normal akzeptieren müssen, ebenso die veränderten Öffnungszeiten beim Bäcker oder das Selbst-Einchecken im Hotel, das die Rezeption gestrichen hat. Pragmatismus, Entschleunigung und Nachhaltigkeit sind angesagt. Oder ist doch die Drohne die Zukunft, die fast jeden unserer Wünsche nach spätestens einer halben Stunde im Garten abwirft?