Vor einigen Jahren schilderte mir mein Gemüsehändler auf dem Markt das Treiben auf dem morgendlichen Großmarkt in Hamburg.

„Das klingt ja interessant“, kommentierte ich.

„Du kannst ja mal mitkommen, ich hole dich um 2 Uhr ab.“ Mein Interesse war augenblicklich erloschen. Nachts um 2 Uhr! Nein, bitte nicht. 

Meine damalige Ablehnung unbequemer Arbeitszeiten ist heute weitverbreitete Normalität. Kaum einer mag noch nachts arbeiten oder am Wochenende. Bäckereien öffnen zunehmend erst vormittags, damit die Bäcker angenehmere Startzeiten bekommen. Und verzichten auch schon mal auf den Verkauf am Wochenende. Mitarbeiter im Straßen- und Schienenbau sind schwer zu finden, weil sie nachts und sonntags lieber daheim sind. Wer als Unternehmen Bereitschaft zur Schichtarbeit erwartet, hat schon verloren. 

„Hier bewerben sich immer mehr Servicetechniker, die nicht mehr reisen wollen“, beklagte sich im letzten Jahr der Geschäftsführer eines Maschinenbauers bei mir. „Wie stellen die sich das vor?“ Andere registrieren, dass der Beruf des reisenden Monteurs immer unbeliebter wird, viele von ihnen versuchen sich durch Weiterbildung für eine Inhouse-Tätigkeit zu qualifizieren. Aus einem großen Unternehmen vernahm ich, dass die Mitarbeiter im Lager Home-Office-Tage fordern. Was machen die da?

Das erinnert mich an die „Samstags gehört Vati mir“-Kampagne in den 1950ern. Damals wurde an sechs Tagen in der Woche gearbeitet, die Wochenarbeitszeit betrug 48 Stunden. Die Gewerkschaften konnten mit der genannten Kampagne in der ersten Hälfte der 1960er zunächst die Fünf-Tage-Woche durchsetzen, in der zweiten Hälfte die 40-Stunden-Woche. 

„Freitags gehören Mama und Papa mir“ lautet die Kampagne heute. Wer hat sie initiiert? Ich glaube, es ist eine Mischung aus Pandemie und GenZ. In der Pandemie und dem mit ihr verbundenen Home-Office haben viele Arbeitnehmer gespürt, wie entspannend es ist, nicht alltäglich auf der Straße im Stau zu stehen oder am Flughafen auf den Flieger zu warten. Wie schön es ist, mehr Zeit für Frau oder Mann zu haben, für Kinder, für Freunde, für Hobbys und Interessen. Die GenZ hat diesen Trend forciert, weil sie sich grundsätzlich eine andere Aufteilung zwischen Arbeit und Freizeit wünscht. 

Auch wenn bezüglich des Home-Office Ernüchterung eingesetzt und ein Pragmatismus die anfängliche Euphorie verdrängt hat: Der Wunsch nach weniger Reisen, nach mehr Zeitersparnis und nach mehr Privatleben ist gelandet und bleibt. In Hamburg z. B. sind noch Büroimmobilien gefragt, die zentral und verkehrsgünstig in der Innenstadt liegen. Aber kaum einer mehr ist bereit, auf dem Weg zum Arbeitsplatz drei Mal umzusteigen und dann noch 15 Minuten zu Fuß zu gehen. Hybride Arbeitsmodelle haben sich vielfach durchgesetzt. Wobei sie nicht überall möglich sind, siehe die erwähnten Mitarbeiter im Lager.

Nun haben 45 Unternehmen in einem Modellprojekt mit der Einführung der Vier-Tage-Woche begonnen. 100 % Leistung bei 80 % Arbeitszeit und 100% Lohn. Auf deren Erfahrungen nach sechs Monaten ist sicherlich die ganze Republik gespannt. Ich auch.