Letzte Woche rief mich ein Personalberater an, den ich schon länger kenne. Ich nenne ihn hier Nils. Ab und an helfen wir uns bei der Suche. Wir hatten seit letztem Sommer nichts mehr voneinander gehört, sprachen nun über Berufliches und auch Privates. Plötzlich fragte er mich: “Hast Du auch ein Glückshemd?“

Ich war etwas verwirrt: „Für welchen Anlass? Wenn die Lottozahlen gezogen werden?“

„Nein“, begann er. „Seit wir alle im Homeoffice sitzen, laufen wir doch nur im Schlabberlook herum. Nur wenn wir ein Gespräch via Teams oder Zoom haben, ziehen wir eine Bluse oder ein Hemd an.“

„Ich kenne auch Leute, die sich gegen dieses Verschlampen wehren und ganz bewusst im Homeoffice gut angezogen sind. Zumal die Sachen im Schrank ja auch nicht besser werden.“, warf ich ein.

Doch mein Widerspruch blieb ungehört: “Im September hatte ich ein Zoom mit einem Unternehmen, mit dem ich schon lange im Gespräch war. Und nun bekam ich endlich einen Auftrag. Das Hemd, das ich dafür extra angezogen hatte, ziehe ich jetzt immer an, wenn ich Akquisegespräche führe. Und danach geht es gleich wieder in den Schrank. Bis jetzt hat es mir nur Erfolg gebracht.“

Ich musste schmunzeln, weil ich an so etwas eigentlich nicht glaube. Obwohl – als ich noch der Libero des SV Fleckeby war, habe ich auch immer erst den linken Schuh zugebunden…..

„Und Du wäscht es nicht zwischendurch?“

„Natürlich nicht. Dann wäre das Glück ja weg.“

Ich grinste innerlich. Auch Nils hatte vor der Pandemie zu denen gehört, die stolz auf ihre Flugmeilen waren, auf den Status beim Autovermieter und die BahnCard 100. Ich erinnerte mich an einen anderen Berater, der mir erzählte, er könne den Erfolg seines Geschäftsjahres an seinen Flugmeilen messen. Alles unter 500.000 sei nicht gut. Und nun reicht ein Glückshemd. Bei Ihnen auch? 

Ein Gedanke durchfuhr mich: „Jetzt darfst Du ja wieder zu den Leuten ins Büro fahren und sie besuchen. Willst Du dann auch das Hemd anziehen?“

„Selbstverständlich.“

„Dann musst Du es zwischendurch waschen. Aber dann wäscht Du auch das Glück heraus.“

Schweigen. Angst.