Letzte Woche erwähnte ich in meiner Betrachtung zur Buchmesse meine Zugfahrt nach Frankfurt mit Frau Wichtig schräg hinter mir. Indiskrete Mitarbeiter im Zug, darüber sprach ich mit Petra Golisch, Bloggerin zum Thema „Pendeln“(www.pendeln.mobi) und Programmleiterin beim Finken Verlag.

J.S.: Erzählen Sie doch bitte einmal Ihr schönstes und Ihr schlimmstes Mithör-Erlebnis im Zug.

P.G.: Ich fange mit etwas Unverfänglichem an: Auf einer ICE-Fahrt in meine rheinische Heimat saß mir gegenüber eine noch recht junge Frau in makellosen Businessklamotten. Das perfekt sitzende Kostümchen mit dem keinen Zentimeter zu kurzen Rock, die chice, überdimensionale Ledertasche, die sorgfältig manikürten, rot lackierten Fingernägel, die geübt übereinandergeschlagenen Beine, … alles war so klischeehaft „Tussi“. Dann klingelte ihr Smartphone in der Großraumtasche. Sie suchte und fand es rechtzeitig – und redete in wunderbar breitem Kölsch lachend über die Gestaltung des anstehenden Abends, „wat ma denn esse‘ könne“ inklusive. Währenddessen grinste mir die gar nicht mehr so tussihafte Lady ein paar Mal ebenso verschwörerisch wie entschuldigend zu, und einmal zwinkerte sie sogar solidarisch.
“Wow, never judge a book by its cover!“, dachte ich schmunzelnd bis Köln-Hauptbahnhof.

Unangenehm finde ich es hingegen beim Reisen mit der Bahn, wenn Leute die Öffentlichkeit der Zwangsgemeinschaft für einen lächerlichen „Ich-bin-wichtig!“-Auftritt nutzen. Tatsächlich saß ich mal neben einem Vollhonk, der seine Sekretärin oder Assistentin etwa 4-5-mal von unterwegs anrief und sie … kein Witz … mit „Mausi“ ansprach, so à la „Mausi, guck doch mal für mich nach, ob die Chinesen schon geliefert haben! Und ob der Termin mit den USA verschoben wurde.“ An das Wort „bitte“ kann ich mich übrigens nicht erinnern. Ich stelle mir dann manchmal vor, was für eine Automarke solche meist Herrschaften bevorzugen, wenn sie gerade nicht 2. Klasse mit der Bahn fahren.

J.S.: Ist dieses Ausplaudern von Interna Ihrer Beobachtung nach tatsächlich eher Wichtigtuerei oder doch fehlendes Nachdenken?

P.G.: Ich denke, beides. Manche Leute haben das Wichtig-Sein bzw. So-tun-als-ob so sehr verinnerlicht, dass es ihnen völlig egal ist, wo sie sich gerade befinden und wer ihnen bei ihrer Performance zusieht oder -hört. Sie vergessen einfach die Umgebung um sich herum und verhalten sich so, wie sie sich halt immer verhalten.
Wieder andere fühlen sich wahrscheinlich durch die Umstände der gemeinsamen Bahnfahrt geradezu zum „Aufdrehen“ angespornt, wobei man ja auch sagt, dass man beim Telefonieren oder auch bei mittlerweile Videokonferenzen während des Bahnfahrens dazu neigt, lauter zu reden, als man das in der Stille des eigenen Büros vielleicht täte.

J.S.: Was raten Sie als Pendlerin und Führungskraft Ihren Mitarbeitern für die Kommunikation im Zug?

P.G.: Sich immer so zu verhalten, als ob ich – oder eine andere einschlägig betroffene Person – gerade neben ihnen säße. Das schützt vor Indiskretion, quasi über Lautsprecher verbreitete Peinlichkeiten und „Entgleisungen“ aller Art.