Als ich noch zur Schule ging, waren die Bundesjugendspiele ein alljährlich wiederkehrendes und beliebtes Ereignis. Ich war ein mittelmäßiger Sprinter, ein durchschnittlicher Weitspringer und ein guter Werfer, so dass ich zumindest die kleine Urkunde bekam. Mein bester Freund Torsten war in allen drei Disziplinen top und holte immer die große Urkunde, was ich ihm sehr gönnte. Ist aus mir deshalb ein deprimierter und in sich gekehrter Mensch geworden? Ich glaube nicht.

Aber die Gefahr besteht anscheinend. Zumindest sollen die Bundesjugendspiele in der Grundschule zukünftig kein „leistungsorientierter Wettkampf“ mehr sein, sondern ein „bewegungsorientierter Wettbewerb“. Was übersetzt heißt, dass nicht mehr das individuelle Ergebnis zählt, sondern der Einzelne in Ergebnisgruppen einsortiert wird und sämtliche Ergebnisse der Gruppe zu einem gemeinsamen Wert aufgerundet werden. Harmonie pur, es gibt keine Verlierer mehr. 

Ganz ähnlich ist der Ansatz im Jugendfußball. In der G- und der F-Jugend werden zukünftig keine Meisterschaftsspiele mehr ausgetragen, sondern Spielenachmittage mit vielen Feldern und Mannschaften. Man möchte den Leistungsdruck minimieren, so die Begründung des Deutschen Fußball-Bundes.

Der ehemalige Nationalspieler und heutige TV-Experte Didi Hamann lehnt diese Maßnahme ab: „Ohne Ergebnis kein Erlebnis.“ Der Kölner Bundesligatrainer Steffen Baumgart bemängelt, dass wir „nur noch den weichen und seichten Weg gehen“. Im „Spiegel“ hieß es, wir seien nun in der „Flauschokratie“, in der man zum „Schneeflockenpusten“ antrete. 

Ich schließe mich diesen Einschätzungen gerne an. Die sportliche Auseinandersetzung bringt Spaß. Man lernt mit Siegen und Niederlagen umzugehen. Gerne auch früh. Man erfährt, wie ständiges Trainieren zu Verbesserungen führt. Und genau dieses sind die Erfahrungen, die einen nachher im Beruf weiterbringen. Den Umgang mit dem erfolglosen Verkaufsgespräch ebenso wie mit einer erfolgreichen Produktentwicklung. Aus dem ständigen Ringen um die besten Ergebnisse entstehen die leckersten Brötchen, die perfekten Fahrräder oder die besten Beratungsleistungen. Wenn diese positive Auseinandersetzung eingekuschelt wird, sinkt die Qualität. Weshalb sollten die Grundschüler nicht schon lernen, was ihnen später im Beruf tagtäglich begegnet?

Birgitta Stauber formulierte die Veränderung im „Hamburger Abendblatt“ so: „Die Kids der 1970er-Jahre hängen sich auf dem Spielplatz an die Reckstange, schaukeln ein paarmal, dann ziehen sie mit der Kraft ihrer Arme die Füße in die Luft, drehen den Unterkörper um die Stange und stemmen sich auf. Nennt man Aufschwung…Und die GenZ? Die positioniert sich mit aufgerissenem Mund neben der Stange und macht ein Selfie.“

Nein, ich will hier kein GenZ-Bashing betreiben, ihre stärkere Betonung des Privatlebens ist ja absolut richtig. Die Ursache für diese mangelnde Belastbarkeit ist vielmehr in der elterlichen Überfürsorge zu suchen. Wer „Ich muss mit auf Klassenfahrt – meine Tochter kann sonst nicht schlafen“ und ähnliche Bücher über Helikoptereltern gelesen hat, weiß, was ich meine.