„Und Loyalität.“ Wenn ich Kandidaten nach ihrem Wertekanon im Beruf frage, dann ist „Loyalität“ eigentlich immer unter den Top 5. Neben Verlässlichkeit und Offenheit zum Beispiel.

Sobald ich aber ins reale Leben schaue, frage ich mich miunter, wo sie geblieben ist: die Loyalität. Sie bedeutet, z.B. dass man sich unter vier Augen alles sagen kann, man aber den Vorgesetzten, Mitarbeiter oder Kollegen nicht in der Öffentlichkeit bloßstellt. Man setzt sich mit voller Kraft für den Arbeitgeber ein, der Arbeitgeber sorgt im Gegenzug für interessante Aufgaben, gute Bezahlung und einige andere Goodies. 

Ich kam im letzten Herbst auf das Thema, weil in meinem früheren Wohnort Norderstedt die Oberbürgermeisterwahl anstand. Die Amtsinhaberin trat wieder an, von ihren beiden Stellvertretern kandidierte eine gegen sie. Die beiden Frauen schenkten sich verbal nichts, und ich dachte, wie wollen die je wieder zusammenarbeiten? Nun gut, mag der geneigte Leser jetzt denken, das ist halt Politik: Wenn du Parteifreunde hast, brauchst du keine Feinde mehr. Man denke nur an das Duell Laschet versus Söder vor der letzten Bundestagswahl oder das Schicksal von SPD-Vorsitzenden wie Beck, Platzeck oder Schulz.

Blicken wir in den normalen Arbeitsalltag. Da gibt es die kleinen Schweinereien. Wenn etwa der stellvertretende Abteilungsleiter während des Urlaubs seines Chefs die Abteilung zu Kaffee und Kuchen oder einem abendlichen Kaltgetränk einlädt, um zu feiern, dass man Pause vom „Doofen“ hat. Nach dessen Urlaub ist man natürlich wieder loyal…Oder die ehemaligen Mitarbeiter einer Firma, die sich regelmäßig treffen und in erster Linie über den Ex-Arbeitgeber lästern, natürlich gefüttert mit neuesten internen Infos. Sind die Beteiligten überhaupt jemals loyal gewesen?

Was zu der Frage führt, wann die Loyalität zerbricht? Laut einer Gallup-Studie besitzen 19% der deutschen Arbeitnehmer keine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. Der höchste Stand seit 2012. Da ist unterwegs etwas kaputtgegangen. Das kann die aktuelle Arbeitsaufgabe sein, das als zu gering betrachtete Gehalt, die Einschränkungen beim Home-Office oder der flexiblen Arbeitszeit. Irgendwo, an irgendeiner Stelle fühlt sich der Arbeitnehmer nicht mitgenommen. Und läutet seinen Rückzug ein. Und wenn dann noch einer wie ich anruft und ein interessantes Stellenangebot hat….

Ich glaube aber, dass der Loyalitätsverlust auch etwas mit einem kulturellen Wandel zu tun hat. Früher blieb man so lange es ging bei VW oder Lufthansa, beim mittelständischen Tischler oder dem 20-köpfigen Installationsbetrieb. Heute blinken an allen Ecken lukrative Angebote auf, irgendwer zahlt immer mehr oder ist bei den Zusatzleistungen großzügiger. Die nachwachsenden Generationen denken eher in interessanten und erfüllenden Projekten, die sie heute hier und morgen dort bearbeiten. Der Arbeitgebername ist in eine Nebenrolle gedrängt worden.

In Norderstedt hat die Stellvertreterin die Wahl übrigens gewonnen, die damalige Oberbürgermeisterin ist jetzt eine Ex. Manche Loyalitätskonflikte lösen sich von selbst.