„Dass die jungen Leute ein anderes Verhältnis von Arbeit und Freizeit wollen, finde ich ja völlig in Ordnung. Aber nun entdecken das auch die Altgedienten und kündigen. Oder nehmen einen langen unbezahlten Urlaub.“ Mein Gesprächspartner, eine Führungskraft, war verzweifelt. Da hatte ein Mitarbeiter mit 60 Jahren gekündigt, um auf Weltreise zu gehen. Ein anderer hatte sich für ca. drei Monate unbezahlten Urlaub genommen. Und das in einem Job, in den man niemanden von einer Zeitarbeitsfirma setzen kann

„Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals richtig frei
Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh’n.“

Ja, Udo Jürgens fiel mir da ein, ganz einfach, weil einer meiner besten Freunde großer Udo-Jürgens-Fan ist, dieser Tage 50 Jahre alt wird und ich deshalb ständig seine Lieder Kopf habe. Und plötzlich bemerkte ich, dass der große Österreicher diese Entwicklung schon lange im voraus geahnt hatte.

Ich habe so einige „Aussteiger“ in den letzten Jahren kennengelernt. Menschen, die sagen, dass es nicht Sinn des Lebens sein kann, bis 65 zu schuften, um sich dann nur noch mit all den sich einstellenden Wehwehchen arrangieren zu müssen. Menschen, die endlich durch Kapstadt, Peking oder eben New York spazieren wollen, aber ohne Rollator. 

„Heute beginnt der Rest deines Lebens
Jetzt oder nie und nicht irgendwann
Schau‘ auf dein Ziel, kein Traum ist vergebens
Heut′ fängt die Zukunft an.“

Aber es ist ja nicht nur das Ausbrechen in die weite Welt. Partner oder Partnerin, Kinder und Enkelkinder, Freunde und Hobbys haben eine ganz andere, viel tiefere Wichtigkeit bekommen.

„Hast Du heute schon,
Heute schon gelebt?
Hast Du die Sonne auf der Haut gespürt?
Hast Du heut′ schon den Menschen,
Der Dich liebt, berührt?“

Und natürlich spielt die stärkere Ich-Bezogenheit eine große Rolle, der Zeitgeist mit Achtsamkeits-Kursen, verstärkter Me-Time und Reiseführern, die nun „Radeln für die Seele“ und „Soul Places“ heißen. Ich bin mir wichtig, ich erfülle mir meine Wünsche.

„Was wirklich zählt auf dieser Welt
Bekommst du nicht für Geld 

Es gibt Sehnsucht, Träume
Nachts das Rauschen der Bäume
Es gibt Treue, Freunde
Jemand, der zu dir hält.“

Für dieses Umdenken, so der Udo, ist es nie zu spät:

„Ich lass′ euch alles da
Meine Welt, wie ich sie sah
Doch der Sand ist noch nicht durch!“

Darauf eine Runde „Griechischer Wein“!