Der dänische Thinktank Equalis meldete letzte Woche, dass bei unserem nördlichen Nachbarn in privaten Unternehmen in der Geschäftsführung nur 0,7% Frauen mit nicht- westlichem Hintergrund arbeiten. Was bedeute, dass es 30mal wahrscheinlicher sei, dass eine westlich geprägte Frau Geschäftsführerin ist als eine nicht-westlich geprägte. Und warum? Weil Männer für kompetenter gehalten werden als Frauen, nicht-westlich erzogene Menschen für weniger kompetent als westliche. In Firmen fühle man sich sicherer, wenn in der Geschäftsführung „jemand von uns“ sitze. Bias (Voreingenommenheit) nennt man dieses Phänomen.
Wäre unter dieser Voraussetzung die Idee von Khyati Sundaram, CEO beim Recruitingtool-Anbieter Applied, eine Lösung? Sie plädiert dafür, dass in Bewerbungen der Lebenslauf verzichtbar wird und durch Kompetenztests ersetzt wird, so verkündete sie es in „Business Insider“.
Da musste ich doch grinsen, als ich zeitgleich den Newsletter der „Personalwirtschaft“ erhielt. Das Magazin schaut derzeit regelmäßig zurück in alte Ausgaben und die großen Themen dort. So wurden in der Ausgabe 1/1983 graphologische Gutachten hoch gelobt. Ein solches musste ich auch einmal über mich ergehen lassen. Da ich bereits in der Grundschule schon eine 5 für meine Handschrift erhalten hatte, waren meine Erwartungen nicht sehr hoch.
Ich bekam den Job, erfuhr aber später, dass der Graphologe stark von mir abgeraten hatte. Den Rest seines Urteils behalte ich lieber für mich. Einem anderen Kandidaten für eine andere Position im Unternehmen hingegen wurde eine große Zukunft prophezeit. Der gute Mann war nach einem halben Jahr wieder weg. Eine Kollegin, die ihn aus einer früheren Tätigkeit kannte, war davon wenig überrascht: „Die hätten sich bloß seine letzten Stationen im CV angucken müssen.“ Sie hatte recht, die letzten drei Stationen hatten jeweils nur sechs Monate gedauert.
Ganz anders die besagte Khyati Sundaram: „Wir schauen uns niemals einen Lebenslauf an“. Sie beschwört (und verkauft) Tests, die Fähigkeiten und Kompetenzen eines Bewerbers aufzeigen und sich nicht darum scheren, was die Person bisher gemacht hat. So ein ganz neutraler Test würde zudem nichts zu Geschlecht und ethnischer Herkunft mitteilen und deshalb Menschen Chancen eröffnen, die sonst schnell aussortiert würden. Wenn ein Arbeitgeber diese Angaben doch haben möchte, könne er das mittels KI herausfinden. Nun gut, dieses pseudo-offene Gebaren mag typisch amerikanisch sein.
Ich halte es für einen Fehler, z. B. mit einem Test zu starten und mit dem Kandidaten nur zu reden, wenn er den Test besteht. Ich halte es für ebenso falsch, sich nur auf Kompetenzen und Fähigkeiten zu konzentrieren. Schließlich geht es auch darum, sie ein- und umsetzen zu können. Es geht um Erfolge und Misserfolge sowie deren Ursachen. Und um das Auftreten einer Person.
Was ich damit sagen will, ist, dass es immer wieder Moden gibt. Ich bin und bleibe da recht traditionell. Nichts ersetzt das persönliche Gespräch. Einen Test, welcher Ausprägung auch immer, anzuschließen, finde ich gut. Ebenso wie das vorherige Studium des CV. Das Gesamtpaket macht den Menschen aus.