Als ich 2017 einen Artikel über „Votivschiffe“ in der Zeitschrift „mare“ veröffentlichte und das in trauter Runde erzählte, sagte jemand: „Toll, das interessiert mich. Den Artikel lade ich mir gleich im Netz herunter.“ Ich antwortete: „Den gibt es dort aber nicht umsonst.“ Ein verdutzter Blick: „Wieso das denn nicht?“ Die Erklärung war einfach: „Von was soll denn der Druck der Zeitschrift, die Arbeit der Redaktion und mein Honorar bezahlt werden?“ Sprachlosigkeit.
Diese Episode kam mir wieder in den Sinn, als ich las, dass Spotify sein Abrechnungsmodell verändern will, das ohnehin keine üppigen Honorare beinhaltet. Für einen Musikstream zahlt Spotify im Schnitt 0,3 Cent, die sich mehrere Beteiligte teilen. Nun soll für Titel, die nicht eine bestimmte Mindestzahl von Abrufen pro Jahr generieren, gar kein Honorar mehr ausgeschüttet werden. Das bleibt im großen Topf und wird an die mitverteilt, die genügend Abrufe erzielt haben.
Für ein gesamtes (!) Hörbuch als Stream erhält ein Autor 0,0208 €. Ein anderes Ausgabeformat wie das entsprechende Buch kostet im Laden vielleicht 24 €, als E-Book vielleicht 16,90 €. Da bleibt für den Urheber unter dem Strich deutlich mehr, selbst wenn man Kosten wie Konfektion und Handel abzieht.
Die “Badische Neuesten Nachrichten“ haben gerade ihr aktuelles Honorarmodell für Freelancer veröffentlich. Wer einen kurzen Text mit bis zu zwei Stunden Rechercheaufwand schreibt, bekommt dafür ein Pauschalhonorar von 7,80 €. Bitte? Wer soll davon leben? Lernt denn niemand etwas dazu? Weshalb fehlen denn in der Gastronomie so viele Arbeitskräfte? Weil vielen Menschen während der Pandemie bewusst geworden ist, dass die Mischung aus späten Arbeitszeiten und geringer Bezahlung unattraktiv ist. Da ist selbst ein Job beim Discounter zuweilen reizvoller. Weshalb besteht der Mangel an Pflegekräften, die ja nicht nur körperlich, sondern oft auch menschlich sehr herausgefordert werden? Weil sie schlecht bezahlt werden. Diese Liste ließe sich mit Friseurinnen, Bäckereifachverkäufern und anderen beliebig fortsetzen.
Bei den eingangs beschriebenen Honoraren geht es um die Erstellung von Content, der in verschiedenen Ausgabeformaten aufbereitet und verkauft wird. Was ist, wenn es sich kaum einer mehr leisten kann, hauptberuflich als Musiker oder Journalist tätig zu sein? Wer generiert dann die Inhalte? KI? Ach nein, so einfach ist es dann doch nicht.
In Dänemark haben sich jetzt sehr prominente Autoren zusammengeschlossen und blockieren die Veröffentlichung ihrer Werke über Streamingdienste. Der Anteil digitaler Ausgaben am Gesamtumsatz dänischer Verlage ist innerhalb von zehn Jahren von 11 auf 23 % gestiegen, der Umsatz gedruckter Bücher um 13 % gefallen. Entsprechend weniger haben die Autoren verdient. An karger Bezahlung kann eigentlich niemand Interesse haben. In keiner Branche. Denn wer nahezu nix hat, kann auch nichts ausgeben.
Der Post geht es anscheinend durch den Personalmangel so schlecht, dass selbst ich vorige Tage über LinkedIn das Angebot erhielt, ich könne doch als Post- oder Paketbote tätig werden. Die nehmen wohl jetzt jeden.