Durch die Medien geistert aktuell die Geschichte von dem norditalienische Molkereibesitzer, der bevorzugt über 60-Jährige einstellt, weil die sich für nichts zu schade seien. Diese Story hat mich nicht so überrascht, denn das Ansinnen kenne ich. Ich höre öfter von Kunden, dass ich ruhig auch einen 60-Jährigen vorstellen könne, der könne und wolle wenigstens noch arbeiten.
Überrascht war ich hingegen, als mir vor ein paar Wochen der GF eines mittelständischen Unternehmens verriet, dass er keine Raucher einstelle. Das hatte ich in dieser Deutlichkeit so noch nicht gehört. Er behauptete, dass deute auf eine sich vernachlässigende Lebenshaltung hin. Und zudem würden die teuren Gesundheitsangebote des Unternehmens konterkariert, wenn der Mitarbeiter raucht.
In mir erwachte eine Idee: Was, wenn man in Stellenanzeigen nicht nur schreibt, was alles geboten wird, von einem sicheren Arbeitsplatz über ein Jobrad bis zum kompletten Home-Office? Sondern auch, was NICHT geboten oder besser NICHT gewünscht wird? Also z. B. Tunnel in den Ohren, Flip-Flops im Sommer, das Tragen explizit rechtsextremer Textilmarken oder das Mitbringen von Haustieren, egal ob Hund, Katze oder Papagei. Oder eben das Rauchen.
Ich weiß, so eine Unerwünscht-Liste ist zum Teil nicht erlaubt (Grundgesetz und AGG!) und zum Teil schreckt sie vielleicht geeignete Bewerber ab. Und natürlich stellt sich die Frage, wo da die Grenze zu definieren wäre. Dürfte auf der auch stehen, dass das Unternehmen keine Katholiken möchte oder Buddhisten oder Atheisten? Natürlich nicht, das ist mir alles klar.
Andererseits denke ich an die Verschwendung von zeitlichen und personellen Ressourcen, die auch die teuerste und komplexeste HR-Software nicht vermeiden kann. Da bewirbt sich jemand. Die HR- und die Fachabteilung lesen den CV, er wird für interessant befunden, der Bewerber wird eingeladen. Nach einer halben Minute ist aber bereits klar, dass es mit einer Einstellung nichts wird. Der Bewerber hat kurz vorher noch eine geschmökt, ihn umgibt ein pikant-penetrantes Eau de Nikotin. Und dennoch müssen die Verantwortlich noch die 45 Anstandsminuten herumbekommen, bis sie den Bewerber verabschieden können.
Wieviel Zeit könnte man sparen, wenn man so manche Vorliebe rechtzeitiger geklärt hätte. Vor vielen Jahren erklärte mir ein Kunde, im Frühjahr gäbe es für die gesamte Firma (ca. 50 Mitarbeiter) „Malle für alle“. „Wenn einer auf so etwas keinen Bock hat, brauchen Sie den hier gar nicht anzuschleppen“, verkündete der Kunde unmissverständlich. Mir half das beim Suchen und Finden. Und natürlich beschreibt jeder Auftraggeber „off the record“ sein Idealbild von der neuen Mitarbeiterin oder vom neuen Mitarbeiter. Das ist im Gespräch mit Personalberatern möglich, nicht aber, wenn sich jemand direkt bewirbt.
Vielleicht wäre ein Bogen mit freiwilligen Angaben eine Lösung, auf dem man nur ein paar Kreuze machen muss? Wie beim Arzt oder beim Buchen eines Ferienhauses. Andererseits: Wer kreuzt schon an, dass er ein ketterauchender Mann mit Halstattoo ist, der im Büro barfuß geht? Das Bewerbergespräch bleibt ein Ü-Ei.