Ein Kandidat erzählte mir letzte Woche, dass er auf eine Vakanz angesprochen worden sei und das Unternehmen von ihm anschließend nur ein Motivationsschreiben haben wollte: “Einen CV brauchen wir nicht, es hat heute keiner mehr Zeit den zu lesen.“ Und Zeugnisse wollte man natürlich auch nicht.
Ich gebe zu, dass ich auch kein großer Freund von Zeugnissen bin. Viele sind selbst formuliert und bei nicht wenigen denke ich: „Toll, und warum bist du nicht Bundeskanzler geworden?“ Aber eine fundierte Gesprächs- und Entscheidungsvorlage sollte man sich schon leisten. Und dazu gehört, neben Gespräch, Bauchgefühl und eventuell einem Test, ganz sicherlich auch der Lebenslauf.
Doch der Kampf um die Köpfe scheint immer mehr Kapriolen zu schlagen. Erst wurde auf Anschreiben verzichtet, jetzt schon auf den CV. Und die neueste Idee ist ein Online-Live-Recruiting-Event, bei dem man sich mit einem Druck auf den Button bewerben kann. Alles, was Geschwindigkeit raubt oder dem möglichen Kandidaten Mühe machen könnte, wird vorab aus dem Weg geräumt. Das Zauberwort heißt „Schnelligkeit“. Schneller sein als die Konkurrenz, die diese Frau, diesen Mann vielleicht auch gerne engagieren würde.
Im beschriebenen Fall sollte das Motivationsschreiben als Basis reichen, das Gespräch geführt werden und dann Zu- oder Absage folgen. (Den hoffentlich aktuellen CV hatte man sich vermutlich auf Xing oder LinkedIn angeschaut.)
Die Fehlbesetzung einer Vakanz kostet nach Experten-Meinung € 30.000-100.000, je nach Jahresgehalt. Das ist viel Geld für einen vermeidbaren Unfall. Ich denke, da lohnt sich schon Gründlichkeit bei der Personalauswahl, zu der gehört auch ein CV. Gewiss, die Zeiten in denen es von der Einladung bis zum ersten Gespräch sieben Wochen dauerte, weil Entscheidungsträger nacheinander im Urlaub sind, sind vorbei. Das kann sich niemand mehr erlauben. Die internen Prozesse müssen schneller und einfacher werden. Das ändert aber nichts an einer sorgfältigen Vor- und Nachbereitung.