Zurück zum Schulbuch, so lautete jüngst die Lösung der schwedischen Regierung für ein brisantes Problem: Die Lesefähigkeit der heutigen Schüler nimmt ab. Und damit, so die Regierung, die Fähigkeit zu einer guten Ausbildung und zu einem Geschichtsverständnis, ja, überhaupt fehle so eine Voraussetzung für menschliche Freiheit. Die breite Digitalisierung führe bei den Kindern zunehmend zu z. B. geringerem Selbstwertgefühl und Essstörungen. Also wolle man das Budget für Schulbücher auf 40 Millionen Euro hochschrauben.

Ähnliche Alarmsignale waren aus Dänemark zu hören, wo 25% der 4.-Klässler deutlich schlechter lesen als Vergleichsgruppen vor einigen Jahren. Experten meinen, dass das Begreifen von Zusammenhängen, was das Lesen bekanntlich fördere, bei diesen Schülern so unterwickelt bleibt, dass sie später im Arbeitsleben chancenlos sind. GenA mit A wie Ahnungslosigkeit?

Von anderen kommt die Gegenrede, dank derer die Schüler dank KI besser werden. Adrian Kreye hat in der „Süddeutschen“ zum Beispiel die nur in den USA nutzbare App Khanmigo vorgestellt, die u.a. wie ein Nachhilfelehrer arbeiten und Schüler so besser machen kann. Überall, jederzeit und unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Die App könne sich deutlich intensiver um jeden einzelnen Schüler kümmern, als es ein Lehrer vermag, der vor einer 30-köpfigen Klasse steht.

Der Wiener Lerncoach Niels Cimpa sieht gar das Schulsystem in absehbarer Zeit kollabieren. Die Schüler würden dann Fakten und Logik nur noch mittels KI lernen, weil die das besser beherrsche. Lehrer seien folglich allein für das Zwischenmenschliche verantwortlich, also z.B. das Mindern von Prüfungsangst. Oder für den Sportunterricht. Der klassische Bildungsstoff aus Jahreszahlen und Auswendiglernen solle reduziert werden und durch praktische Vorbereitung auf das Leben und die Vermittlung von Zusammenhängen ersetzt werden.

Widersprüchliche Ansätze, widersprüchliche Beobachtungen auch andernorts. Die GenZ ist laut einer Befragung die erste, die das Handy für das wichtigste überhaupt in ihrem Leben hält, bei den Generationen davor war es die Familie. Liest sie also nicht mehr, vor allem keine längeren Texte? Wer sich den riesigen Erfolg von BookTok auf TikTok anschaut, wer den Boom der Buchgenres Young Adult und Mangas sowie der englischsprachigen Bücher sieht, wird diese Frage verneinen. 

Was nun also, Buch oder KI? „Der Mangel an Fachkräften, die mit neuen Technologien wie KI umgehen können, kostet die Weltwirtschaft jetzt schon jedes Jahr über 7 Billionen Euro“, zitiert Kreye den Datenwissenschaftler Euro Beinat. Der fordert mehr Ausgaben in entsprechende Bildungsangebote. Die schwedische Regierung fährt in die andere Richtung. Ob so oder so, ein entscheidender Faktor ist für mich die Medienkompetenz. Wer in der Lage ist, die richtigen Fragen und Suchen zu starten, wer aus den Antworten die richtigen Schlüsse zu ziehen vermag, wer prüfen kann, ob die KI gerade „halluziniert“, der ist eindeutig im Vorteil. Wem diese Kompetenz nicht mitgegeben wird, fällt später im Berufsleben hinten runter. 

Die dänischen Krimiautoren Lotte und Søren Hammer haben übrigens im Sommer eine Story mit Unterstützung von KI geschrieben. Als die Autoren wollten, dass jemand über eine Reling geworfen wird, verwehrte ChatGPT die Mitarbeit. Dieses sei eine unmoralische Tat.