„Eines muss ich Ihnen noch gestehen, Herr Scherping.“
„Na, was denn?“
„Ich bin im offenen Vollzug.“
Vor einiger Zeit hatte ich mit einem an einer Vakanz Interessierten ein gutes erstes Telefonat. Er machte einen sympathischen Eindruck, die Qualifikationen passten, der Lebensweg schien geradlinig. Ich überlegte, ein Teams-Interview als nächsten Schritt vorzuschlagen. Und dann dieses Geständnis. Was tun?
Ich ließ mir den Hintergrund ebenso erklären wie die Auswirkungen auf die Arbeit. Beides war für mich kein Hindernis für ein Vorschlagen bei einem Kunden. Aber bei diesem? Wie würde er reagieren? Wenn man lange mit jemandem zusammenarbeitet, kann man ihn gut einschätzen, kann man vertraulich miteinander sprechen. Mit neuen Kunden wie diesem muss ein solches Verhältnis erst wachsen. Ich sprach mit drei Kollegen und bekam vier Meinungen. Von „Bloß nicht vorstellen“ bis zu „Lass doch den Kunden selbst entscheiden“.
Es gibt in Interviews und Mitarbeitergesprächen zuweilen unangenehme Momente. Unangenehm, weil sie in das Persönliche hineinreichen. Ich erinnere mich an eine studentische Aushilfe in meiner Angestellten-Zeit, die sehr eigenartige Gerüche verströmte. Ich bekam Beschwerden meiner Mitarbeiter, sprach mit der Studentin, die versprach Besserung. Diese hielt zehn Tage, dann der Rückfall und die Trennung. Kein Gespräch, das Vergnügen bereitet hatte.
„Sie haben drei Kinder?“
„Ja, zwei davon durch künstliche Befruchtung.“
Ein Interview vor ein paar Monaten. Ich stockte einen Moment. Ging mich das etwas an? Wollte ich das wissen? Weshalb war das dem Bewerber wichtig? Spielte das für die Besetzung dieser Stelle eine Rolle?
Problematisch wird es häufig, wenn es Brüche im Berufsweg gibt und die Bewerberin oder der Bewerber diese mit einer persönlichen Trennung begründet. Dass eine solche Spuren hinterlässt, ist nachvollziehbar. Die einen erholen sich schnell oder atmen gar auf, die anderen kommen ein ganzes Jahr darüber nicht hinweg und sind arbeitsunfähig. Anstrengend wird ein Interview dann, wenn mein Gegenüber auspackt, Trennungsgründe ausführt oder Details aus dem Rosenkrieg beschreibt. Das alles geht mich nichts an.
Genauso wenig wie die Mitteilung, dass man nicht pünktlich zum Telefontermin kommen konnte, denn: „Ich war noch auf dem Klo.“ Natürlich gibt es viele schwierige Momente, jeder Personaler oder Headhunter wird solche erzählen können. Wenn man z. B. nach einer Minute weiß, dass der Eingeladene nicht auf den Job passt. Man anständigerweise aber noch 44 Minuten weitermachen muss.
Den Mann aus dem offenen Vollzug habe ich übrigens nicht vorgestellt. Ich kannte den Kunden noch nicht gut genug. Inzwischen kenne ich ihn besser und weiß, dass meine Entscheidung richtig gewesen ist. Ich schätze mein Bauchgefühl als meinen Berater.