Ich gestehe, ich war entsetzt: Bei meiner Suche nach Kandidaten hatte mir jemand einen Tipp gegeben, Telefonnummer oder Mailadresse wollte er mir nicht nennen, aber in den mehr oder minder sozialen Medien würde ich den Mann finden. Gesagt, getan, ein kurzer Text mit einer groben Skizze, worum es geht, Interesse?, Nachricht gesendet. 

Bald darauf kam die Antwort. Also bevor wir das Gespräch vertiefen würden, seien folgende 14 Punkte von mir zu beantworten. Und es folgte die Aufzählung. Es ging um Dienstwagen und Job-Rad, Tankkarte und Gesundheitsvorsorge, Urlaub und Homeoffice und, und, und. Ach ja, eine Frage zur Aufgabe selbst gab es auch. Aber ansonsten ging es nur um das, was ich „Goodies“ nenne und andere anscheinend „zeitgemäße Selbstverständlichkeiten“. Und da stand ich nun, ich armer Tor, und war noch unbeholfener als wie zuvor! Nein, auch Altmeister Goethe konnte mich in meinem Unverständnis nicht trösten.

Wir hatten bis dahin nicht über die Firma gesprochen, die Größe und den Standort. Nicht vertiefend über die Aufgabe, nicht über die Herausforderungen und die Kollegen. Nicht über die Ziele und die Strategie. Hätte das nicht erst diskutiert werden müssen, bevor wir uns über Zuschüsse für das Fitnessstudio und über Sonderurlaubstage unterhalten? 

Ein anderer Kandidat für eine andere Vakanz verfügte über eine zweijährige Berufserfahrung. Für den angebotenen Job rief er eine äußerst ambitionierte Gehaltsvorstellung auf. Auf meine Frage, wie er auf diese Summe komme, antwortete er: „Weil ich mehr leiste als andere.“ Das wusste ich in dem Alter noch nicht. 

Ja, ich schüttele in diesen Zeilen meinen Kopf über die GenZ. So wie es viele Personalverantwortliche und Berater ebenfalls tun. Und umgekehrt die GenZ über die Boomer und GenY, die heute vielfach noch die Entscheider sind. Die Positionen sind unversöhnlicher geworden, die Polarisierung hat zugenommen, die Schläge unter die Gürtellinie werden mehr. Eine Diskussions-Unkultur wie in den USA macht sich breit. Die nur spaltet und niemanden weiterbringt.

Im „Spiegel“ hat neulich Susanne Beyer als Rettung den leider nicht merkbaren Begriff „Ambiguitätstoleranz“ eingebracht. Gemeint ist damit ist eine stärkere Differenzierung: „Es geht darum, die positiven und negativen Eigenschaften einer Person, eines Objekts oder eines Sachverhalts zu erkennen und somit eine einseitig negative oder vorbehaltlos positive Bewertung zu vermeiden.“ Also die Meinung des anderen nicht grundsätzlich und von Vornherein ablehnen, nur weil er der andere ist. Vielleicht hat er zumindest zu 10% recht? Oder gar 20%?

Genau darum geht es: Dass man einander zuhört, miteinander spricht und gemeinsam Lösungen sucht. Dass der eine der Arbeitsaufgabe mit intrinsischem Interesse und Respekt begegnet und der andere gleichzeitig akzeptiert, dass Familie, Freunde und Freizeit ganz wesentliche Bausteine eines glücklichen Lebens sind. Kein Mensch braucht mehr diese Männer, die mit hochrotem Kopf, zwei Laptops, zwei iPads, heraushängendem Hemd und schlecht gebundener Krawatte durch die Abflughalle sprinten. Aber nur mit 28-Stunden-Woche, Phantasiegehältern und Zuschüssen für Massagen am Arbeitsplatz werden wir dieses Land auch nicht am Laufen halten. Die Boomer brauchen die GenZ, die GenZ braucht die Boomer, da helfen nur Begegnungen statt Bedingungen.