Ich bin ein glücklicherer Mensch geworden. Endlich. Ich bin nicht mehr das ewige Opfer im Büro. Endlich. Dank Xing. Denn Xing hat rechtzeitig zum Weltfriedenstag letzten Donnerstag erkannt: „Unser Wortschatz im Job gleicht einem Waffenarsenal“. Doch keine Erkenntnis ohne umgehende Therapie. Das fand ich großartig, da mussten die ebenfalls zum Weltfriedenstag veröffentlichen Tipps der „Bild-Zeitung“ für eine bessere Work-Sex-Balance zurückstehen.

„Ich habe da einen kleinen Anschlag auf Sie vor“ ist einer dieser megafiesen Sätze, bei denen ich jahrelang sofort unter den Tisch flüchtete und das Jackett über den Kopf zog. Wenn jetzt stattdessen mein Chef zu mir sagt „Ich möchte Ihnen eine Aufgabe anvertrauen“, dann spüre ich schon, wie es mir dabei viel besser geht. Meine Ängste sind wie weggezaubert.

Ganze acht von diesen Gemeinheiten hat Xing dankenswerterweise identifiziert. Zum Beispiel „Kannst Du die Deadline halten?“. Diese brutale Wortwahl! Sobald mich das jemand gefragt hat, überkam mich das Gefühl, die dem Tod geweihte Kreatur zu sein, die in der menschenleeren Stadt mitten in Texas um 12 Uhr bei 42 Grad dem gefürchteten Revolverhelden gegenübertreten muss. Deadline halt. Aber jetzt fragen wir lieber: „Schaffst Du es rechtzeitig?“. Und ich fühle wieder Hoffnung in mir. Ja, ich werde es schaffen.

So ist es auch endlich vorbei mit diesem kriegerischen „Wir haben schon unser ganzes Pulver verschossen.“ Da habe ich regelrecht die Kugeln in meinem Bauch gespürt. Doch nun lächeln wir uns trotz der traurigen Botschaft an und sagen: „Wir haben bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Kanonen zu Schöpfkellen.

Andere angebliche Probleme verschwinden hinter dieser ebenso großen wie notwendigen Veränderung. Die zig tausend Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, ja, nicht schön, aber so eine extrem aggressive Frage wie „Wer kann dieses Projekt in Angriff nehmen?“ ist viel schlimmer. Wirtschaftliche Herausforderungen wie enorme Preissteigerungen (nicht Explosionen!), unterbrochene Lieferketten, Fachkräftemangel oder das Sterben der Innenstädte werden da zum Problemchen. Dass viel zu viele Menschen aus Existenzangst und Unsicherheit die Populisten wählen, geschenkt, wenn wir doch nun sanftmütig „Wer hat ausreichend Kapazitäten und Energie für dieses Projekt?“ fragen.

Alle unseren internen Diskussionen in Teeküchen und Konferenzräumen über Erfolg und Misserfolg, über Budgets und Renditen, über Personal Auf- und -abbau, über Standorterweiterungen oder -schließungen werden tatsächlich zum reinen Vergnügen, wenn wir „Das wird einschlagen wie eine Bombe!“ durch „Das wird unsere Kunden begeistern!“ ersetzen. 

Ja, man muss einfach das wahre Problem unserer Zeit erkennen. Deshalb werde ich diesen Weg konsequent weiter beschreiten, selbst wenn Xing das nicht von mir verlangt. „Wollen wir nachher noch ein Feierabendbier trinken?“ wird man von mir nicht mehr hören. Denn ich bezwecke mit dieser Frage nichts anderes, als meinen Kollegen zur Einnahme eines Rauschmittels zu drängen. Voll „aggro“. Schließlich kann der arme Mann ja gar nicht selbst entscheiden, ob er mit mir etwas trinken möchte und dann auch noch was.