Diese böse, böse Jugend. Die entscheidet sich nicht gleich nach der Schule für ein Berufsziel und eine entsprechende Ausbildung. Sondern da gibt es tatsächlich Personen, die studieren erst zwei, drei Semester ein Fach, entscheiden sich dann aber um und wechseln es. Oder absolvieren erst eine Ausbildung, studieren aber anschließend frecher Weise noch. Oder gönnen sich schockierender Weise gleich mal ein Sabbatical!
Diese schlimmen Zustände entdeckte der dänische Wirtschaftsverband „Dansk Erhverv“ kürzlich und bezifferte den Verlust mit 27 Millionen €, weil die Genannten dem Arbeitsmarkt fehlen. Für Deutschland existiert eine solche Rechnung bestimmt auch und die Zahl dürfte deutlich höher sein, leben in Dänemark doch nur knapp sechs Millionen Einwohner, in Deutschland sind es knapp 84 Millionen.
Also der ganz gerade Weg: Geburt, Kindergarten, Schule, sofort Ausbildung/Studium, Beruf, Rente. Kiste. Da stellt sich mir, in Abwandlung eines Grönemeyer-Hits, die Frage: „Wann ist ein Mensch ein Mensch?“
Berufsbedingt lese ich viele Lebensläufe und stoße ständig auf Menschen, die eben nicht diesen geraden Weg gegangen sind. Da irrt sich jemand, weil der gewählte Studiengang andere Inhalte hat als erwartet oder erhofft. Da merkt ein junger Mann, dass sein Hobby als Lehrberuf doch nicht mehr so spannend ist und ihn etwas anderes viel mehr interessiert. Da absolviert eine junge Frau mit Absicht zunächst eine Lehre, um eine Ausbildung in der Tasche zu haben, bevor sie ein Studium beginnt. Oder es geht jemand ganz bewusst für ein Jahr auf eine Weltreise, die sie oder ihn garantiert nicht dümmer macht.
Nicht jeder ist mit 17 oder 18 Jahren klar in seiner Berufswahl. Ein Mensch muss sich entwickeln können, muss Erfahrungen sammeln, Erfolge erleben, mit Enttäuschungen umgehen lernen. Von dieser menschlichen Reifung profitieren auch Unternehmen. Das alles nur in Zahlen abzubilden, greift viel zu kurz.
Ja, 35% aller Ausbildungsstellen in Deutschland bleiben unbesetzt. Das liegt zum einen an einer Orientierungslosigkeit der Jugendlichen, wie der Arbeitsmarktforscher Bernd Fitzenberger am Wochenende in der „Süddeutschen“ äußerte. Sie wissen nicht, wohin sie beruflich wollen. Das liegt aber auch daran, dass Hauptschüler ungern genommen werden, lieber greifen die Betriebe auf Studienabbrecher zurück. Denn die Betriebe, so die Bertelsmann-Stiftung, wissen nicht, wie sie schwache Schüler oder jene mit mäßigen Deutschkenntnissen durch die Ausbildung bekommen sollen. Und so haben in diesem Jahr bislang 64.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz gefunden.
Diese Diskrepanz zwischen unbesetzten Ausbildungsplätzen und vergeblich suchenden Schulabgängern gilt es aufzulösen. Dafür jeden jungen Menschen gleich in eine feste berufliche Laufbahn zu pressen, ist der falsche Ansatz.