Waren Sie schon mal in Remote?
In meiner Zeit als Führungskraft im Medienbereich war Freelancer der größte Arbeitgeber. Auf mindestens jeder zweiten Visitenkarte, die ich mit dem Wunsch nach einem Auftrag erhielt, stand „Freelancer“. Das waren zum Teil tatsächlich Freiberufler, die sich mit dem schon damals nicht üppigen Zeilengeld über Wasser hielten. Zum Teil waren es Freiberufler im Nebenerwerb, die einfach aus Spaß am Schreiben genau das nebenbei taten. Und es gab auch jene kleinere Gruppe, die zum Beispiel gerne auf die Buchmesse kam und dort als „Freelancer“ Bücher schnorrte. Angeblich schrieben sie freiberuflich für die FAZ, die Süddeutsche oder GeoSaison. Wovon alle Drei nichts wussten.
Heute dominiert Bewerberprofile etwas anderes, nämlich der Wohnort „Remote“. Da steht unter „Bevorzugter Arbeitsort“ dann „Hamburg, Lüneburg, Remote“. Oder „Remote, Wien, München“. Das finde ich bemerkenswert. Denn zwischen hier und Remote/ Oregon liegen über 8.000 Kilometer. Da fällt Zwischenfahren nicht leicht.
Natürlich frage ich mich auch, weshalb so viele dorthin wollen. Da ist doch nichts, dort stehen nur ein paar wenige Häuser. Eine größere Straße führt durch den Ort, auf der man irgendwann in die Hafenstadt Coos Bay mit ihrem schönen Strand gelangt. Einkäufe kann man in Remote nicht machen und die Post schloss bereits 1998 ihre Türen. Immerhin gibt es mit der Sandy Creek Bridge eine Sehenswürdigkeit. Leute, wie und wo wollt ihr alle dort wohnen? Gibt es demnächst einen Bauboom in Remote? Make Remote great?
Ich finde andererseits die Angabe des Wunsch-Arbeitsortes Remote gut. Denn es ist sehr hilfreich, wenn mögliche Kandidaten sich gleich zu Remote bekennen. Wenn sie schreiben, dass sie zu 100% oder zumindest 50% in Remote wohnen und arbeiten wollen. Dann weiß ich Bescheid und habe es bei der Vorqualifizierung leichter. Weil ich mit meinem Kunden abstimmen kann, ob es für ihn in Ordnung ist, wenn der neue Mitarbeiter in Remote/ Oregon arbeitet. Da so viele vom Arbeiten in Remote begeistert sind, biete ich das manchmal schon von selbst an. Aber da kommt oft die Rückmeldung: „Das möchte ich nicht.“
Manchmal denke ich, das Arbeiten in Remote muss doch eigentlich etwas langweilig sein. Man ist in Remote sehr einsam, denn es kommt nie einer vorbei. Man kann mit niemandem bei einem Kaffee vom Wochenende erzählen und sich gemeinsam über den Chef aufregen, höchstens per Teams oder Zoom. Auch einen Partner oder eine Partnerin kennenzulernen ist unmöglich. Gerade in sehr kreativen Branchen stelle ich mir ein Arbeiten in Remote eigentlich unmöglich vor. Dafür leben hier viele ITler, während man in der Produktion Arbeitende tatsächlich nie trifft. Aber es gibt anscheinend genug Menschen, die dieses Leben genießen. Mancher stellt allerdings nach einem Jahr fest, dass es ihm in Remote zu trist ist und er lieber wieder wegziehen möchte.
Wird der Ansturm auf Remote/ Oregon anhalten? Oder ist Remote/ Oregon nur eine Modeerscheinung, ein Hype, der bald wieder vergessen ist? Angeblich erfreut sich gerade der Hybrid Lake/ Ontario zunehmender Beliebtheit.