Lernen Schüler nur für die Schule oder doch für das Leben? Diese berühmte Frage stellte ich mir kürzlich, als ich die Umfrage des Arbeitgeberverbandes Nordmetall las. In ihm sammelt sich die norddeutsche Metall- und Elektroindustrie. Dieser hat nun angehende Hamburger Schulabgänger ebenso wie Mitgliedsfirmen zum Thema „Arbeit und Zukunft“ befragen lassen. Wobei die Schulabgänger aus unterschiedlichen Schulformen (Gymnasium, Stadtteilschule etc.) kommen. Die Ergebnisse überraschen und machen zum Teil ratlos.

Nur 6% der Schüler ist Informatik wichtig, von den Firmen hingegen 59%. Das Resultat bei den Schülern erstaunt, sind sie es doch, die in der digitalen Welt aufwachsen und die Relevanz der Informatik erkennen müssten. Aber vermutlich ist Nutzen das eine und die Berufsausübung das andere. Schließlich wird nicht jeder Autonarr auch KfZ-Mechaniker. Noch krasser finde ich die Differenz bei der Beurteilung der englischen Sprache. Nur 35% der Schüler finden diese für ihr Berufsleben wichtig, aber 77% der Betriebe halten deren Kenntnis für elementar. Auch hier denke ich, dass die Schüler doch selbst mitbekommen, wie viel tiefer die englische Sprache in ihren Alltag eindringt und Voraussetzung für ihr berufliches Vorankommen ist.

74% der Jugendlichen finden Disziplin und Pünktlichkeit wichtig, überraschenderweise aber nur 33% der befragten Betriebe. Sensationell ist aus meiner Sicht, dass die Schüler auch bei den Gehaltserwartungen zurückhaltend sind. Nach der Ausbildung wünschen sie sich 2086 €, die Betriebe würden aber ca. 50% mehr ausgeben wollen. Wer mit einem Bachelorabschluss einsteigt, erwartet 2887 €, die Betriebe würden (gerne?) noch einen Tausender drauflegen.

Dramatisch finde ich die Diskrepanz bei der Berufsorientierung an den Schulen. 52% der Schüler finden diese gut bis sehr gut, aber nur 17% der Arbeitgeber finden diese gut. Sehr gut niemand. Da läuft etwas falsch. Ich bin ein großer Freund einer umfassenden Allgemeinbildung, niemanden soll die Frage „Wie lange dauerte der Dreißigjährige Krieg?“ ratlos zurücklassen. Und ich weiß, dass viele Arbeitgeber die Jugendlichen gerne früher auf dem Arbeitsmarkt hätten. Wovon ich nichts halte, denn Jugendliche brauchen diese Zeit für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Aber ich habe mich sowohl nach meiner Schulzeit als auch nach der meiner Kinder gefragt, wie lebensnah die Schule ist. Ja, natürlich, die erste Verantwortung haben die Eltern, aber auch die Schule muss überlegen, ob alles das, was heute gelehrt wird, wirklich Sinn gemacht. 

Wenn ich diese Ergebnisse lese, frage ich mich, ob alle Verantwortlichen genug miteinander sprechen. Ich hoffe es. Mehr Vorbereitung auf die Zeit nach der Schule wäre wichtig, ein reichhaltiger Wortschatz, gute Fremdsprachenkenntnisse und ein fundiertes naturwissenschaftliches Wissen sind es allerdings ebenso. Ich weiß, die Grenzziehung ist schwer.

Ein sehr kluger Schüler hat einmal zu mir gesagt: „Ich weiß gar nicht, weshalb wir Religion in der Schule haben. Deutsch braucht man später, Englisch braucht man später, aber Religion braucht man nicht für das Leben.“ Naja, da gibt es wohl auch andere Einschätzungen.