Ich beneide Mr. Tagesthemen Ulrich Wickert. Der hat morgens sechs Tageszeitungen vor der Tür liegen und liest die immer in derselben Reihenfolge in aller Gründlichkeit durch, bevor er sich anderen Aufgaben widmet. Aber wie lange liegen Zeitungen noch im Briefkasten?

Die Zukunft des gedruckten Wortes

Kürzlich las ich, dass die Madsack-Gruppe alle ihre Tageszeitungen ab 2025 zentral drucken lassen möchte. Also z. B. die Lübecker Nachrichten und die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Bereits letzte Woche hatte das Unternehmen seine „Leipziger Volkszeitung“ und „Sächsische Zeitung“ aus Dresden zusammengelegt, 30 Arbeitsplätze werden gestrichen. Man wolle nun den Schwerpunkt auf Landespolitik, regionale Wirtschaft sowie Investigatives und Reportage aus einer zentralen Gemeinschaftsredaktion legen. Und so die Stimme Sachsens werden. 

Ein ganz ähnliches Modell fahren seit wenigen Monaten der Neubrandenburger „Nordkurier“ und die „Schweriner Volkszeitung“. Von der SVZ ist dabei außer ein paar pflichtschuldigen Seiten Lokalberichte nicht viel übriggeblieben. Zugenommen hat die Regionalberichterstattung, dazu gibt es dann noch ganzseitige Interviews mit Personen wie Maximilian Krah, da braucht man sich über Wahlergebnisse nicht mehr zu wundern. Aber ich bin nicht sicher, ob sich die Leser tatsächlich als Bürger Mecklenburg-Vorpommerns sehen oder eher doch als Schweriner oder Neubrandenburger. Ich kenne jedenfalls Menschen, die ihr Abo bereits gekündigt haben oder damit liebäugeln. Ähnlich vielleicht in Sachsen. Sehen sich die Leipziger als Leipziger oder als Sachsen? Fusionieren ist nicht immer ein erfolgreiches Konzept und irgendwann gibt es nichts mehr zum Einsparen.

Für mich gleichen diese Versuche eher jemandem, der mit den Beinen im Moor eingesunken ist und verzweifelt strampelt. Der „Tagesspiegel“- Chefredakteur Lorenz Maroldt äußert sich da konsequenter, er behauptet, dass es ab 2027 keine gedruckte Tageszeitung mehr gibt. Später fühlte er sich missverstanden, aber so ganz abwegig ist das nicht, die „Hamburger Morgenpost“ z. B. gibt es gedruckt nur noch freitags. Die Tageszeitung digital oder nix.

Innovationen als Rettungsanker

Rechtzeitige Innovationen sind das Gegenmittel für solche Bedeutungsverluste. Der Haufe Verlag zum Beispiel ist längst von einem Fachverlag zu einem Anbieter von analogen und digitalen Lösungen für unterschiedlichste Branchen geworden. Mein ehemaliger Arbeitgeber GU (Gräfe und Unzer Verlag) ist der führende Ratgeberverlag und im Segment „Lebenshilfe“ sehr stark. Dort hat man natürlich den Erfolg der New Adult-Romane registriert, deren Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2024 um 243,7 %. Mit der Erfahrung aus den Ratgebern entstehen nun Romane für die New Adult-Leserinnen. Vom Ratgeber zum Roman, ob das klappt? Man probiert es aus, und das finde ich gut. Nicht stehenbleiben.

Womit wir zu Lidl kommen. Lidl Dänemark. Dort will man gezielt mehr Akademiker einstellen. Denn die würden ein anderes Wissen mitbringen und so zu einer dynamischeren Führungskultur beitragen. Die Schwarz-Gruppe ist ja nun eh längst mehr als Lidl und Kaufland, sondern auch u. a. internationaler Umweltdienstleister, Logistikunternehmen und Anbieter von IT-Lösungen. Das ist das, was ich meine: Neue oder weitere Pfade suchen, statt im Moor stehend zu strampeln.