Es ist der unzerstörbare Klassiker unter den politischen Wahlkampfversprechen: Der Bürokratieabbau. Für die immer komplizierter und schwerfälliger werdende Behördenarbeit wird in aller Regel die EU verantwortlich gemacht. Und die gegenwärtige Regierung habe diese überflüssigen Verordnungen noch verschlimmbessert, so die jeweilige Opposition. Die versichert, mit ihr in der Regierung werde es endlich, endlich einen Bürokratieabbau geben. Vier Jahre später hat der natürlich nicht stattgefunden.

Nun weiß ich von vielen Firmen, die dringend auf Gelder aus dem Milliardenpaket der Bundesregierung für die Infrastruktur warten und Mitarbeiter einstellen wollen. Brücken, Schienen und Schulen müssen umgehend saniert werden. Langwierige Genehmigungsverfahren wären eine Katastrophe. Zwei Beispiele, die ich kürzlich las, sorgen bei mir für Skepsis, ob das wirklich gelingt.

Der Bürgermeister der niedersächsischen Stadt Oldenburg berichtete auf einer Tagung, dass seine Stadt aus dem Landes-Förderprogramm „Perspektive Innenstadt!“ neue Bänke und Beleuchtung anschaffen ließ. Das erwies sich aber als nicht so einfach. Denn eine Behörde wandte ein, durch diese Maßnahme könnten zukünftig mehr Besucher aus den nahen Niederlanden in die Stadt kommen. Insofern sei der Kaufwunsch der Oldenburger ein Eingriff in den europäischen Binnenmarkt und folglich problematisch.

Der große dänische Lebensmittelhändler Dagrofa hat 2023 über einen Zeitraum von nur acht Monaten zehn neue von der EU erlassene Gesetze sowie 72 neue Verordnungen und Bekanntmachungen allein für seine Branche gezählt. Diese umfassten insgesamt 155.000 Wörter (= ein Taschenbuch von ca. 600 Seiten), mit denen sich in jeder einzelnen Filiale jemand auseinandersetzen musste. 

Von solchen Geschichten wird sicherlich jeder berichten können. Klar ist auch, dass es sinnvolle Gesetze gibt und dass z. B. gewährleistet sein muss, dass das Geld aus dem Infrastrukturfond in die richtigen Hände kommt. Viele Kommunalpolitiker betonen allerdings, dass sie in ihren Verwaltungen kompetente Mitarbeiter hätten, die nicht noch durch Ober und OberOber-Behörden kontrolliert werden müssen.

Bürokratieabbau darf man sicherlich nicht frei von Vorkenntnissen und nur mit der Kettensäge vornehmen, da bleiben bekanntlich nur Chaos und Tränen zurück.

Sondern man kann auch ganz einfache Regeln aufstellen. Im Museum Öömrang Hüs auf der nordfriesischen Insel Amrum stehen zwei kleine Porzellanhunde, wie es sie früher in jedem Haus dort gab. Damals waren die männlichen Bewohner als Kapitäne oder Walfänger auf See, oft monatelang, manche kamen nie mehr zurück. Der Frauenüberschuss auf Amrum war gewaltig, zeitweilig kamen auf einen Mann vier Frauen. Besagte Porzellanhunde standen in den Häusern im Fenster. Schauten sie nach draußen, war der Herr des Hauses auf See. Schauten sie nach drinnen, war er daheim. Den Rest können Sie sich selbst denken.